Protest und Diskurs im Museum?

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Interview mit Sibylle Dienesch ◄

Sibylle Dienesch, Direktorin des Graz Museum, im ausreißer-Interview mit Evelyn Schalk über Protest als demokratisches Grundrecht und nicht vorgesehenen Vetospieler

Was bedeutet Protest für dich persönlich?
Protest ist eine Möglichkeit, Themen und Anliegen sichtbar zu machen, dort, wo es keine andere Möglichkeit gibt, gehört zu werden. Ein hohes Gut in einem demokratischen Rechtsstaat, das es mit Bedacht einzusetzen gilt. Ich finde die Beschreibung von Armin Nassehi sehr anschaulich, der Protest als eine Position des Vetospielers beschreibt, eine Position die gesellschaftsstrukturell nicht vorgesehen ist.

Protest im Museum – Widerspruch oder Notwendigkeit?
Wir haben uns vorgenommen, in den nächsten 5 Jahren als demokratisches Museum zu einem Forum für den städtischen Diskurs zu werden. Ausgehend von unserem Programm und unseren Themensetzungen wollen wir Raum bieten für Gegenwartsthemen, die für die Stadt Graz und die Stadtbewohner*innen relevant sind. Wenn wir uns dieser Vision folgend in den städtischen Diskurs einbringen wollen, müssen wir uns als Museums- und Stadtarchivs-Team intensiv mit der Frage auseinandersetzen, wofür wir uns einsetzen und mit welcher Form. Äquidistanz ist für alle an unserem internen Klärungsprozess Beteiligten ein wichtiger Begriff.

Wofür oder wogegen hast du protestiert bzw. würdest du protestieren und wie?
Mir ist es wichtig für meine Anliegen die richtige Form zu wählen: dort, wo ich Zugang zu Entscheidungsträger*innen habe, wähle ich das persönliche Gespräch. Themen, wie Gendergerechtigkeit versuche ich durch meine Sichtbarkeit bei Veranstaltungen zum internationalen Frauentag klar zu unterstützen, bei Ereignissen wie der Amokfahrt oder bspw. beim Ausbruch des Ukrainekriegs finde ich es selbstverständlich mich dem Protest auf der Straße anzuschließen. Und ab und an unterzeichne ich Petitionen, die sich auf Menschenrechtsverletzungen beziehen.

Was darf bzw. muss und was kann Protest?
Das Recht auf Protest ist kann Ausdruck des Rechts auf Versammlungsfreiheit und des Rechts auf freie Meinungsäußerung sein. Diese Rechte sind wichtig zur Wahrung der demokratischen Grundrechte und können nur unter starken Voraussetzungen begrenzt werden. Armin Nassehi bezeichnet Proteste daher als Demokratiegeneratoren „weil sie das politische System mit Alternativen versorgen – und selbst wenn die Alternativen nicht Kraft gesetzt werden, nötigen sie doch Entscheider, bessere Gründe dafür anzugeben, was sie tun.“ (Demokratiegeneratoren? Die Politische Meinung. Nr. 564 September/Oktober 2020, 65. Jahrgang)
Auch wenn wir Proteste in Graz ab 1945 anschauen ergibt sich kein klares Bild, was Proteste direkt oder indirekt geleistet haben. So konnte die Stationierung der Draken am Flughafen Graz-Thalerhof trotz zweier Volksbegehren, einem Protestcamp sowie rund 10.000 Demonstrierender nicht verhindert werden. Die Proteste gegen die ursprüngliche Trassenführung der Pyhrnautobahn mitten durch Eggenberg führten hingegen zum Bau des Plabutschtunnels.

Proteste gegen das Murkraftwerk Graz, 10.2. 2017.