Tanja Gurke ◄
Die Pandemie erlebte ich zweigeteilt: Einerseits war der Kulturbetrieb entweder gar nicht oder nur eingeschränkt geöffnet und es war notwendig, flexibel und erfinderisch zu sein und neue Formen der Sichtbarkeit zu finden. Dies waren Herausforderungen, die es bisher in diese Dringlichkeit noch nicht gab. Sie sind als Chance zu sehen, jedoch auch frustrierend, da gerade die Sichtbarkeit von kleineren Institutionen und jungen, noch nicht bekannten Künstlerinnen und Künstlern ein wesentlicher Bestandteil ihres Erfolgs ist.
Andererseits brachte die mit mit der Situation einhergehende Entschleunigung, Zeit zum Überdenken, Aufarbeiten, Archivieren und sogar Neuorientieren. Statt einer Bremse empfand ich diese Zeit Großteils als Möglichkeit der Veränderung. Nichtsdestotrotz brachte es viele an den Rand der Existenz bzw. sogar zum Umschwenken auf andere Tätigkeitsfelder.
Anfangs gab es eine große Unsicherheit über die Auswirkungen der Pandemie und fehlender wissenschaftlicher Kenntnisse über den Verlauf von Erkrankungen und den Einfluss, den die Pandemie auf Gesellschaft, Wirtschaft und unsere Zukunft haben wird. Dementsprechend empfand ich es als Sicherheit, dass Zutritte gesperrt waren, um eine Verbreitung der Pandemie zu reduzieren. Dies alles erfordert jedoch einen Mehraufwand, den vor allem kleinere Institutionen nur schwer leisten können. Mehr finanzieller Halt durch den Staat ist erforderlich, um alle Maßnahmen gewissenhaft durchführen zu können, und da ist die Politik gefragt. Es braucht solidarisches Handeln und gemeinschaftliches, verantwortungsvolles Denken, um allen die Sicherheit zu geben, die für ein Leben in Zeiten einer Pandemie lebensnotwendig ist.
Die Einschränkungen beim Besuch von Kunst und Kultur waren und sind jedoch ein Einschnitt in Bildung, Weiterentwicklung, Kreativität und Förderung von Talenten wie auch in den Erhalt von Institutionen und deren Teams.
Digitale Varianten von Kunst und Kultur haben anfangs einen Ersatz herzustellen versucht. Einige Arbeiten und Projekte können virtuell platziert werden, so neue Reichweiten und Zielgruppen oder eine neue zeitliche Verfügbarkeit bekommen. Das kann sich durchaus positiv auswirken und neue ungeplante Formen kultureller Projekte ermöglichen.
Aber bei einer Virtualisierung gehen viele Elemente verloren, werden vernachlässigt oder verzerrt, sie sind nie mit einem „echten“ Vor-Ort-Erleben zu vergleichen. Viele Kunst- und Kulturprojekte eignen sich daher nicht für eine digitale Nutzung oder Besichtigung. Kunst und Kultur sind eng verbunden mit sozialem Austausch, Dialog und Diskussion, es geht es um die persönliche Auseinandersetzung, das persönliche Erleben im Raum und Umraum. Dies darf nicht übersehen bzw. zu geringgeschätzt werden.
Zudem sind einige Kulturinteressierte mit der virtuellen, digitalen Welt nicht vertraut genug, um sich Kulturprogramme im Netz anzuschauen. Sie können daher nicht erreicht werden und Institutionen riskieren den Verlust von Besucherinnen und Besuchern, Kundinnen und Kunden. Damit einher gehen finanzielle Einbußen. Der Bereich Virtualisierung ist demnach mit großer Vorsicht zu sehen.
Tanja Gurke ist promovierte Kunsthistorikerin, Geschäftsführerin des Grazer Kunstverein und Mitgestalterin von diversen Kunstprojekten in Graz. Seit 2018 Mitglied des Kulturkuratoriums 2021 des Landes Steiermark. In Kooperation mit dem HDA Graz (Haus der Architektur) und renommierten Architekturbüros zeichnet sie für die erfolgreiche Serie „Häuser schaun“ verantwortlich.