geförderter wohnungsbau

with Keine Kommentare
Martin Brischnik (Architekt, Architekturjournalist und Präsident der Zentralvereinigung der Architekt*innen Steiermark) ◄

Beschäftigt man sich heute ernsthaft mit dem Thema Wohnen, so kommt man nicht umhin festzustellen, dass wir uns im Sog des Wirtschaftswachstums der vergangenen Jahre zu wenig Gedanken um die immense gesellschaftliche Bedeutung von bezahlbarem Wohnraum gemacht haben. Es gilt als logisch und vernünftig, sein Erspartes in Immobilien zu investieren, vor allem seitdem mit der Banken- und Finanzkrise 2007 das Sparbuch endgültig obsolet wurde. Die, welche es sich leisten können ihr Geld so zu investieren, profitieren seither von steigenden Grundstücks- und Immobilienpreisen. Leerstand wird gemeinhin öffentlich akzeptiert, Anlegerwohnungen mit 35 m2 und weniger dienen als passable Anlageform, um auch kleinere Beträge zu investieren. Die Randerscheinungen des Baubooms des vergangenen Jahrzehnts sind massiv steigende Begleitkosten, welche die Kommunen zu tragen haben: Kanalisation, Straßen, Beleuchtung etc. wollen errichtet und in Betrieb gehalten werden. So steigen nicht nur die Kaufpreise der Immobilien rasant (und deutlich steiler als die Einkünfte), sondern auch die Mieten und Betriebskosten. Wie wichtig Wohnraum für uns ist, scheint in Zeiten des Wohlstands vielen nicht bewusst zu sein. Nicht umsonst ist das „Recht auf Wohnen“ unter anderem in den Menschenrechten der zweiten Generation festgeschrieben.(1) So kritisch wie wir die Privatisierung von Trinkwasser bzw. die Option damit Profite zu erzielen wahrnehmen, sollten wir auch reagieren, wenn das Thema Wohnen überwiegend dem freien Markt überlassen wird.

In der Steiermark wird die Errichtung von Wohnbau mit öffentlichen Geldern gefördert. Der Zweck dieser Förderung liegt in der Sicherung des sozialen Friedens. Ein geringer Anteil dieser Förderungen fließt in die Errichtung von Einfamilienhäusern, was zurecht kritisch betrachtet werden darf. Auch Sanierungen und Assanierungen(2) werden gefördert. Das Gros der Förderungen wird von gemeinnützigen Wohnbaugenossenschaften in Anspruch genommen und dient der Errichtung von (teilweise sozialem) Wohnbau. Die Bedingungen zum Erhalt der Förderung beinhalten Mindeststandards hinsichtlich Ökologie, Qualität und Gestaltung. Im Unterschied zu den tendenziell kleinen Wohnungen, zynisch „Smart Wohnungen“ genannt, welche am freien Markt boomen, wird im geförderten Wohnbau zumeist ein Wohnungsmix angestrebt, welcher mit Zwei-, Drei- und Vierzimmerwohnungen heterogene Siedlungen nach sich zieht. Neue Wohnkonzepte wie beispielsweise Wohngemeinschaften, die Implementierung von Co-Working-Spaces oder Gemeinschaftsräumen in Wohnbauten spielen in der starren Wohnbauförderung bislang keine Rolle.

Das Instrument der Wohnbauförderung böte politisch zahlreiche Möglichkeiten der positiven Einflussnahme. So könnten Pilotprojekte gefördert werden, welche der Wohnbauforschung zugutekommen. Anstatt die Errichtungskosten zu deckeln, könnte die Betrachtung der Lebenszykluskosten zu nachhaltigen Wohnbauten herangezogen werden. Eine nachhaltige soziale Begleitung von Wohnquartieren könnte die Entstehung funktionierender Nachbarschaften bewirken.

Spätestens mit der Corona-Krise wird uns die Bedeutung unseres Wohnraumes erneut ins Bewusstsein gerufen. Haben wir seitens der Politik in jüngster Vergangenheit oft Appelle gehört, den Wohnbau „leistbarer“ zu gestalten, so war damit zumeist gemeint, ihn zu verkleinern. Wer es getestet hat, in einer „Smart Wohnung“ das „Homeoffice“ und Kinder im „Homeschooling“ unterzubringen, sollte erkennen, dass der Verkleinerung der Grundrisse Grenzen gesetzt sind.

Hinsichtlich dessen, dass die wenigen Menschen, welche viel besitzen, ihr Vermögen auf dem Rücken aller Übrigen mit dem Pfand des lebenswichtigen Wohnraumes vermehren, wäre ein radikales Umdenken wünschenswert, zumindest aber ein kräftiges Regulieren seitens der Politik längst notwendig. Zudem ist es an der Zeit die Wohnbauförderung finanziell und inhaltlich den Gegebenheiten und Anforderungen unserer Zeit anzupassen.


(1) Damit sind die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte gemeint, wie das Recht auf Arbeit, soziale Sicherheit oder Bildung. Sie sind auch als Leistungsrechte ausgestaltet und gewähren dem Individuum einen Anspruch auf entsprechende Leistungen durch den Staat.
(2) Verbesserung der Bebauung von Liegenschaften aus hygienischen, sozialen, technischen oder verkehrsbedingten Gründen.