das politische in einer welt der credits

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Sabrina Stranzl, Lena Prehal, Laura Bäumel und Gregor Berger ◄

Der Aufstand kauert in Schutzposition am Boden, um sich vor der vollkommenen Zersetzung durch Deadlines, Time-schedules, To-do-Listen und Jour Fixes zu bewahren. Die an/von uns gestellten Anforderungen, die zu Möglichkeiten umbenannt werden, stellen und verstellen Beine – wer nicht fällt soll zumindest im Gleichschritt gehen.

Was ist der politische Kampf schon wert, wenn er erst einmal auf 12 Pt. neben einem Aufzählungszeichen in ein Worddokument mit dem Titel „Lebenslauf aktualisiert“ gepfercht ist? Laufen ist nun mal kein Teamsport und deshalb der Lebenslauf eine Competition, ein Gegeneinander, oder vielleicht nicht mal das, sondern lediglich ein Nebeneinander, das sich jeder Form von In-Beziehung-setzen verwehrt. Das Politische entsteht im Miteinander – glauben manche, das Politische entsteht im Gegeneinander – glauben andere. Was in beiden Fällen richtig zu sein scheint, ist: „Das Politische entsteht zwischen den Menschen“ – es entsteht also nie im Nebeneinander.

Die Welt der Credits kennt keine Politik, kennt keinen Aufstand, kennt nur Aufstelltische auf Networking-Veranstaltungen. Ein Studium, das einen Lernmodus erfordert, der am besten durch die Metapher „Bulimie-Lernen“ beschrieben werden kann, kennt kein kritisches Denken. Studieren als Essstörung (ECTSstörungen) – friss oder stirb, friss und stirb. Es ist ein Geschäft der Kompetenzen, der Skills, in dem mensch vergisst, dass sich das zu Untersuchende durch das Untersuchungsinstrument verändert und wenn das Untersuchungsinstrument einfältig ist, ist es auch das Untersuchte. Der Studienabschluss steht von Beginn an im Vordergrund – doch immer, wenn das vermeintliche Ende, der Abschluss, am Beginn steht, sollten wir die Wegweisenden hinterfragen.

Und so wird alles Leben als Ressource in Wachstumshuldigungen reingemanagt. Das Wort Wachstum ist dabei immer verstanden als Steigerung in der Quantität, nie in der Qualität, doch eine Welt der Quantität kann nicht schwingen und bleibt stumm. Stimmen werden abgegeben und nicht wiedergeholt. Das Abarbeiten von To-do-Listen verunmöglicht das Bearbeiten der Welt, verunmöglicht es, zu handeln. Doch der politische Austausch funktioniert nicht im Modus des Warenaustausches und Moral nicht über Verträge.

Unter Druck entstehen Diamanten sagt man, in der Welt der Diamanten entsteht Druck, sagen wir. Druck, der Unterdrückung erzeugt. Druck, der sich drückt vor dem Kampf gegen Unterdrückung. Und so ist der Lieblingsdruck dieser Welt der Rechtsdruck. Er kennt nur den Schwarzweißdruckmodus und ist so herrlich effizient. Wo früher Daumen gedrückt wurden, werden jetzt Daumenschrauben angesetzt.

Und wir laufen den Lebenslauf bis zur Deadline.

Das dreiteilige Projekt aus Text, Video und Soundfile verweist in Auseinandersetzung mit dem Überthema „Zeit“ auf Schieflagen, die im Neoliberalismus vorzufinden sind. In den drei Arbeiten wird Zeit als Druckfaktor thematisiert, welcher in weiterer Folge politisches Handeln und kritisches Denken nur noch oberflächlich möglich macht.



Link zum Video:
https://www.youtube.com/watch?v=uKePdJHu7qQ

Link zum Soundfile:
https://soundcloud.com/user-781188876/no-time-for-revolution