auslaufen

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Julia Knaß ◄


Es ziehen finstere Wolkentürme auf. Da ist ein ROT, das immer dunkler wird. Da ist ein GELB, das immer dunkler wird. Da ist ein GRÜN, das immer dunkler wird, den Fronten entlang. Ich finde es zunehmend schwieriger, die Farben voneinander zu unterscheiden, nicht WUT mit HASS vertauschen; wir finden es zunehmend schwieriger, irgendetwas zu erkennen, nicht VERNUNFT mit ANGST vertauschen. In unseren Augen wollen wir noch immer eine bessere Welt, utopisch & sein, aber wir schaffen es nur auf dem Papier.

„Weißt du, wir können versuchen, die Wörter SCHWARZ auf SCHWARZ zu drucken, dann sind sie nur gegen die SONNE sichtbar“, schlägst du vor, weil du auch weißt, dass das BÖSE noch immer an ihnen haftet. Ich wende unser Blatt und warte, dass das Licht etwas zeigt, während unsere Körper fallen.

Die Ränder zerfasern. Die Blätter trennen sich. Ich seh die Adern durch das Papier verlaufen, ich seh das Papier pulsieren, ich seh das Papier bluten, ich seh mich neben dem Drucker sitzend oder am Boden liegend, über mir laufen die Wörter über, wie weich sie sich auf das Papier legen wollen, wie weich wir uns auf das Papier betten wollen, TIEFER SCHWARZ.

Ich seh das Papier durcheinanderwirbeln, ich seh die Wörter fallen, ich seh alle Farben über den RAND hinausdrängen und will mich aufrichten, hingreifen, den Druck abbrechen, das Papier vom Erzählen abhalten, den Lauf der Geschichte ändern, die Farben am Auslaufen hindern.