Antifaschistische Kommunikationsguerilla in Graz

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Im Zuge der Proteste gegen die erste schwarz-blaue Bundesregierung wird ab dem Jahr 2000, aber auch schon in den späten 1990er Jahren, in Graz immer wieder mit öffentlichen Aktionen auf rechtsextreme, rassistische Politik, auf Überwachung und totalitäre Entwicklungen aufmerksam gemacht. Dabei werden die formalen und juristischen Manifestierungen dieser Politiken mit den Mitteln der Kommunikationsguerilla entweder satirisch ins Gegenteil verkehrt oder konsequent auf die Spitze getrieben und so eindrücklich sichtbar gemacht.

So erscheinen in den Jahren 2000/2001 Faltbroschüren als „Touristeninformation“, die die nationalsozialistische Geschichte zentraler Grazer Orte im Kontext der aktuellen Regierungsbeteiligung der FPÖ beleuchten und zum Boykott von Graz als Urlaubsort aufrufen. Weiters wird angesichts rassistischer und antisozialer Politik in Frage gestellt, inwiefern die Titel „Menschenrechtsstadt“, aber auch „Europäische Kulturhauptstadt“ überhaupt gerechtfertigt sind. Die Broschüren im offiziellen Design des Tourismusbüros werden im Stadtzentrum, in Telefonzellen und auf Prospektständern, sowie bei großen Kulturveranstaltungen verteilt.

Graphisch zum Verwechseln ähnlich werden auch Hinweisschilder der Grazer Verkehrsbetriebe imitiert, die im Gegensatz zu anderslautenden tatsächlichen Hinweisen die Aufforderung enthalten, sich solidarisch mit BettlerInnen und StraßenmusikerInnen zu zeigen und ihnen Kleingeld zu spenden. Ebenso wird auf Aufklebern das Bedauern darüber ausgedrückt, dass öffentliche Verkehrsmittel noch immer nicht kostenlos allen zur Verfügung stehen und auf einen Umschwung vom „kapitalistischen Normalbetrieb“ zum „Communismus“ gehofft.

Die „Hinweise“ waren an zahlreichen Haltestellen, in und um Busse und Straßenbahnen in Graz zu finden.

Als besonders provokant dürften schon 1997 gefälschte Briefe der Bundespolizeidirektion Graz aufgenommen worden sein, die als Postwurfsendungen in einigen Grazer Stadtbezirken verteilt worden waren. Darin wird auf die gerade beschlossene Erweiterung der Polizeibefugnisse, speziell die Rasterfahndung, verwiesen, in deren Rahmen polizeiliche und private Datensätze zusammengefasst werden. Die AdressatInnen werden aufgefordert, persönliche Daten wie Sozialversicherungsnummer und Bankverbindung sozusagen prophylaktisch bei der Kriminalpolizei zu melden. Dafür wird ein vorgedrucktes Formular beigelegt – und tatsächlich von einigen EmpfängerInnen ausgefüllt an die angegebenen Polizeidienststellen retourniert.

Einige Jahre später, 2001, wird ein angebliches Schreiben vom Landesverfassungsdienst mit deren Briefkopf als Massensendung verschickt, das in einem detaillierten Fragebogen zu Angaben über das „persönliche Umfeld“ auffordert, um möglicherweise fehlerhafte Daten zu korrigieren, die anlässlich des Weltwirtschaftstreffen in Salzburg sowie des G8-Gipfels in Genua gesammelt und besonders an die italienischen Behörden weitergeleitet worden seien.1

2002 wiederum wird in einem fingierten Schreiben von der Grazer Kripo die Zustimmung zur „flächendeckenden Überwachung“ sowie Speicherung von telefonischen Gesprächsdaten eingefordert, um plötzlich einem eventuellen Drogenring im Bezirk auf die Spur zu kommen. Wieder wird das passende Formular gleich mitgesendet.2  Über alle Aktionen wird medial breit berichtet und gegen potentielle TäterInnen polizeilich – weitgehend ergebnislos – ermittelt. Noch lange sorgen die Aktionen für Gespräche, Diskussionen – und weitere kritische Aktivitäten.

1 https://www.derstandard.at/story/696478/steiermark-fingierte-schreiben-des-innen–ministeriums-im-umlauf
2 https://www.derstandard.at/story/1012277/gefaelschte-briefe-der-grazer-kripo-im-umlauf