Die Faust der Nacht

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Oliver Fahn ◄

Erwartungsgemäß bist du gescheitert. Eine altbekannte Gegnerin hat ihre Übermacht demonstriert. An dir! Sie hat dich jenseits deines Schlafzimmers ausgeknockt. Wie ein Boxer außerhalb des Rings vor Schlägen, so meintest du dich abseits deines Bettes vor Schlaflosigkeit gefeit. Egal wohin du dich schleppst, sie folgt dir, heftet an deinen Fersen, klebt auf Schritt und Tritt an deinen Sohlen.

Mit deinem Bettzeug auf die Couch getürmt, windest du dich auch dort. Du weißt Schlaflosigkeit als Gefährtin an deiner Seite. Immerzu treu lechzt sie nach deiner Gesellschaft. Du bist von ihr befallen. Vermutlich du allein. Du wälzt dich in den Laken. Hast Augenringe wie aus einem k. o. zu Beginn der ersten Runde. Wie jemand, der flüchten wollte und dabei vermöbelt wurde: Verhauen, niederträchtig geschlagen! Dein Betttuch ist ein Fetzen. Er trägt die Farbe deiner Stimmung. Rot! Aufgekratzt nächtigst du fernab deiner eigentlichen Matratze. Auf der Couch. Theoretisch willst du sie besiegen: Deine Schlaflosigkeit.

Unverbindlicher kannst du deinem Schlaf nirgendwo sonst Angebote machen. Deine Couch. Eine von Schlaflosigkeit weitgehend unbescholtene Zone! Im Bett ist Wachsein ein Verstoß. Auf der Couch ist Schlaf eine gütige Empfehlung. Du willst diese Überlegung vor Zweifeln bewahren, gegen Einwände schützen, indem du sie gedanklich wiederkäust. Doch deine Nerven flattern. Du zitterst. Schlaf ist für dich ein Antrag, den du durch Bezahlung sühnen musst. Etwas, das man dir in Rechnung stellt. Ein Kredit, den du dir nicht leihen willst, weil Pump dir ein Graus ist. Nie möchtest du Geliehenes auf langwierig seriösem Weg begleichen. Schlaf ist eine Schuld, mit ihr willst du nicht leben, weil du dich durch ihn der Zeit bestiehlst, die deinen zahlreichen Projekten gilt. Dem bauchigen Stapel am Schreibtisch.

Du unterschlägst den Koffein-Sirup. Du solltest ihm Wasser beimengen, du hast ihn unverdünnt getrunken. Folglich stehst du mit einer deliriumsanverwandten Unterzuckerung neben dir. Du bist zudem vereinnahmt von leuchtender Migräne, als wäre sie die Krönung deines Totalausfalls.

Ein fast vorsätzlicher Leichtsinn, den du mit Erbrechen abbezahlst. Du höhnst deiner perspektivischen Rehabilitation, zertrümmerst dein Vorhaben, irgendwie doch in den Schlaf zu finden. Mit welcher Hartnäckigkeit du deiner angeblich so robusten Konstitution Schlaf aberkennst! Welches Ereignis wäre alarmierend genug, deinem Körper Schwäche fasslich beizubringen? Bleibst du, vermeintlicher Titan, dauerhaft unbelehrbar? Wie gleißend müssen Symptome auftreten, dass sie dir deinen bereits ins Zwergenhafte geschrumpften Gesundheitsstatus angemessen vergegenwärtigen? Willst du der Schlaflosigkeit habhaft werden oder deinem Schlaf seine Nebensächlichkeit belegen?

Der Wecker läutet. Dein Fazit der Nacht? Du ziehst ein Bedürfnis in Erwägung, von dem du bislang ausgingst, es schlüpfe spurlos an dir vorbei. Dann gähnst du…