kunstwerke sind das, was von uns menschen übrigbleibt

with Keine Kommentare
Michaela Zingerle ◄
Titelbild Michaela Zingerle
© Azam Shadpour

Ich habe schon lange vor der Pandemie mein persönliches Arbeitsumfeld in die Cloud verlegt und mir ein papierloses Arbeiten angewöhnt. Damit wollte ich ortsunabhängig sein und vor allem sollte es mir leichter fallen, in wechselnden Teams interagieren. Homeoffice, Zugoffice, Coworking-Office, IrgendwoinderSteiermark- und im Ausland-Office waren mir so weit vertraut.

Neu war jetzt, dass die persönlichen Treffen, der Besuch von Ausstellungen und Kulturveranstaltungen, die für mich Inspiration sind und als Orte für Begegnungen dienen, nahezu wegfielen. Es bereitet mir große Anstrengung, mich geistig zu fokussieren und nicht in Routinearbeiten zu verfallen. Das vermisse ich sehr, mein Feuer, meinen Schwung zu spüren.

Schon vor der Pandemie gab es gewaltige Schieflagen. Schlecht bezahlte Jobs eben auch im Kunst- und Kulturbereich. In der Pandemie wurden wir durch die IG Kultur, die mit uns im Austausch mit der Politik sind, nicht fallen gelassen. Es gab Hilfsmaßnahmen, die ausverhandelt wurden, wobei viele und gerade junge Künstler*innen und Kulturarbeiter*innen ohne Einkommen dastanden. Freie Kulturarbeit hat keine konkrete Nachfrage, wie bei einem Produkt, das dringend gebraucht wird, aber sie ist Boden für eine demokratische Gesellschaft. Immer sind es Kunstwerke und kulturelle Ausdrucksformen, die uns Menschen prägen und weiterbringen – und sie sind das, was von uns bleibt.

Beamt*innen, Politiker*innen, selbst Angestellte* in den Gewerkschaften wissen im Grunde nicht, wie freie Kulturarbeit funktioniert. Solange es Gespräche auf Augenhöhe gibt, ohne Vorurteile und Bereitschaft Lösungen zu finden, geht’s irgendwie. Mulmig wird mir, wenn ich an die Zeit danach denke, ob vielleicht Sparpakete geschnürt werden. Jetzt ist ein guter Austausch zur Politik und Verwaltung wichtig, damit wir nicht unter die Räder kommen.

Ich mag Onlinediskussionen, aber ich versäume leider so viele davon, da ich noch kein Management dazu entwickelt habe. Mehr mag ich es, Werke „in echt“ zu sehen – so wie viele andere auch. Onlineformate sind ein toller Teaser, aber es ist personalintensiv und damit recht teuer, wenn man auf lange Sicht virtuell und analog arbeiten möchte.

Die einzuhaltenden Veranstaltungsvorschriften? Das war bzw. ist anstrengend. Also von Seiten der Kulturveranstalter*innen. Ich hatte schlaflose Nächte, ob wir wohl alles bedacht haben und wohl niemand von den Künstler*innen und Publikum krank wird.

Ich hätte in diesem Zusammenhang keine allzu große Befürchtung von einem Überwachungsstaat, dem ich das technisch schlicht nicht zutraue. Wir müssen jedoch genau aufpassen, dass alle Maßnahmen, die, sobald sie nicht mehr gebraucht werden, zurückgenommen werden. Wenn diese Zeit soweit ist, sollten Expert:innen aus Wissenschaft inkl. Geisteswissenschaft, Verwaltung, Politik (mit Frauenquote 50:50) darüber entscheiden.

Denn mit jedem Ticket, das wir über Buchungsplattformen kaufen, jeder E-Mail-Reservierung, jedem Einloggen mit dem Smartphone irgendwo, jeder Suchanfrage, die wir in den Suchmaschinen loslassen, sind wir schon längst angreifbar – und wir machen es einfach. Daher schade, dass sich Diskussionen um den Überwachungsstaat derzeit nur an den Corona-Maßnahmen aufhängen.

Titelbild Michaela Zingerle
© Azam Shadpour
Titelbild Michaela Zingerle
© Azam Shadpour

Die in Graz lebende Michaela Zingerle ist Managerin für Projekte im Kunst-, Kultur- und Sozialbereich. Die Kulturarbeit abseits von Ballungszentren und urbanen Räumen zählt zu ihren Schwerpunkten. Sie ist Obfrau des Kulturverein Styrian Summer Art, führt Kunstkurse und Kulturexkursionen durch und verantwortet die Projekte ART und Kulturlots*innen. Sie ist Vorstandsmitglied der IG Kultur Steiermark (mit den Schwerpunkten Kultur am Land, Fair Pay).