die beziehung zum live-publikum ist durch nichts zu ersetzen

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Irina Karamarković und Denovaire ◄

Es klingt wie ein Klischee, aber diese Pandemie hat nicht nur uns alle, sondern auch unsere Arbeitsweisen in großem Ausmaß verändert. Als Musikerin bestand ein Hauptteil meiner Arbeit in der Zeit vor COVID aus Live-Performances auf Konzertbühnen und/oder im Theater. Doch auf einmal war es nicht mehr möglich, live aufzutreten. Ich vermisste meine Auftritte und vor allem das Publikum sehr. In der Folge musste ich einige meiner Projekte umdenken, umgestalten, nach neuen Aufführungsmöglichkeiten suchen, die auch digital umsetzbar sind. Es brauchte noch mehr Flexibilität, Anpassung und Troubleshooting, um mit den vielen neuen und meistens unerfreulichen Situationen klar zu kommen. Vor allem bei den Online-Veranstaltungen musste ich mich auf einmal um viele neue Bereiche kümmern, wie zum Beispiel um den Sound bei einem Online-Streaming und ähnliche andere Herausforderungen.

Titelbild Irina Karamarkovic
© Azam Shadpour

Klar sind die Online-Konzerte besser als nix, aber den Aufbau einer Beziehung zum Publikum kann ich als Musikerin virtuell definitiv nicht in ihrer Gänze erleben.. Das ist ungefähr so, wie wenn ich eine Hochzeit feiern würde, mit virtuellen Gästen, virtuellen Wein trinkend. Klingt sehr traurig, oder? Die ganze Zeit der Pandemie hindurch war es darum ein stetiges Arbeiten, Planen, Proben – und dann kam doch erst fast immer wieder eine Absage. Auch wenn Live-Auftritte inzwischen wieder möglich sind, stelle ich fest, dass immer noch viele Leute unsicher sind, mit anderen Menschen zusammenzukommen.

Durch die Einschränkungen kam es auch zu großen Veränderungen, was die Frage des Datenschutzes betrifft. Vielleicht ist es sowieso nur ein Märchen, dass es möglich ist, dass wir in Teilbereichen anonym bleiben bzw. die Informationen über uns schützen und kontrollieren können. Vielleicht haben wir dabei sowieso keine Chance in einer Welt wo unsere Telefonnummern sowieso allen bekannt sind, von Meinungsumfrageinstituten bis hin zu all diesen lästigen Firmen, die uns irgendwelche Kissen verkaufen wollen. Trotzdem: ich glaube jedenfalls an den Rechtsstaat, und hoffe, dass der Umgang mit unseren Daten rechtlich gesichert ist.

Im Allgemeinen erwarte ich kein Verständnis für Kunst- und Kultur von allen Menschen. Dieses Verständnis für die Bedürfnisse von Kunst und KünstlerInnen, das erwarte ich mir aber schon von der Politik. Bereits vor der Pandemie war klar, dass freischaffende KünstlerInnen in prekären Umständen leben und dass viele von ihnen unter schlechten Arbeits- und Produktionsbedingungen zu leiden haben. Ich hoffe, dass diese Pandemieerfahrung zumindest eine Sache verdeutlicht hat: Es sollte ein Grundeinkommen für KünstlerInnen geben!

Titelbild Irina Karamarkovic
© Azam Shadpour

Irina Karamarković, geboren 1978 in Priština, ist Sängerin, Komponistin, Performerin, Gesangslehrerin, Autorin und Ensembleleiterin. Ihre musikalische Vorlieben sind Jazz, Weltmusik, experimentelle Musik und Improvisation. Sie arbeitet immer wieder mit Künstler*innen, über den Musikbereich hinaus, zusammen. In zahlreichen Projekten arbeitet sie zusammen mit dem in Graz lebenden Komponisten und Musiker Denovaire.

Titelbild Irina Karamarkovic
© Azam Shadpour