mein genialer plan.

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Mike Markart ◄

ich habe nicht das problem, das alle autoren haben. dass mir wie eben ihnen nichts einfällt. denn ich schreibe nicht. vielmehr verwende ich mein ganzes leben immer nur den selben text. den ersten, den ich geschrieben habe vor einer ewigkeit.
und keiner merkt es.
ich könnte meinen text natürlich bereits frei aufsagen, wenn ich irgendwohin zu einer gut bezahlten lesung eingeladen werde. aber natürlich tue ich, als würde ich ihn vorlesen. und an den gesichtern der zuhörenden vor mir sehe ich immer, dass sie sich nicht erinnern können, dass ich den selben text im vorjahr und in all den jahren davor schon gelesen habe.
ich verstehe nicht, dass in zeiten wie diesen niemals irgend jemand mit dem handy meine lesung und mich demnach festmacht, meinen text auf einem kanal der sozialen medien veröffentlicht und mich irgendwann zur rede stellt.
es gibt also nur einen text.
der reicht für mein ganzes leben. weil alles so gut funktioniert, habe ich niemals die notwendigkeit gesehen, einen weiteren zu schreiben.
wahrscheinlich ist dieser einzige text von mir schon mehr als einhundert mal im orf gesendet worden.
auf ö1 sinnigerweise in der sendung neue texte.
und in radio steiermark.
immer mit einem anderen titel. darin bin ich gut. meine titel sind großartig.
diese retten mich.
radio bremen. wdr. ndr. mdr. bayern. alle blende ich mit meinen immer anderen, genialen titeln für ein und denselben text.
einmal nenne ich ihn: ich bin ein mahnmal und ein immerwährender kalender. ein anderes mal: ich halte mir diesen brief wie einen hund. oder auch: ein fuss von mir ist mit dem zug davon gefahren und jetzt hole ich ihn ein.
ich habe also nicht annähernd soviel zeit für meine literatur zu verwenden, wie andere autoren.
mein ewig gleicher text ist immer da. auf ihn kann mich verlassen. ich brauche immer nur einen neuen titel.
diesen zu finden wird natürlich mit den jahren nicht leichter.
allerdings habe ich gelernt, dass ich machen kann was ich will. niemand erwartet etwas von mir.
darum bin ich auch schon zu lesungen gegangen, ohne mir einen neuen titel für den immer gleichen text aus den fingern zu saugen. und habe einfach zu lesen begonnen, ohne dem text einen titel voran zu stellen.
so leicht ist das, was ich tue.
seit jahrzehnten.
früher habe ich mir manchmal die mühe gemacht, nicht nur den titel sondern auch ein oder drei wörter auszutauschen.
zu verändern.
seit jahren mache ich auch das nicht mehr. weil es einfach nicht notwendig ist.
was kann mir schon passieren?
es kann sein, dass der kastberger, wenn er in pension geht und ihm das twittern zu blöd wird, einmal meine vermeintlichen texte zu lesen beginnt.
er ist schlau. er wird natürlich sofort merken, was los ist, dass der markart nur einen einzigen immer gleichen text jahr um jahr veröffentlicht hat unter immer anderem titel.
und was wird dann passieren? er wird wohl die großartigkeit meines oeuvres verstehen.
meinen kritischen und genialen plan.

ausreißer to go – ab 2022 an allen Standorten.