Evelyn Schalk ◄
Eigentlich sollte diese Nummer längst erschienen sein. Eigentlich sollten wir nicht so irrsinnig prekär arbeiten müssen. Eigentlich sollte eine Ausgabe zu diesem Thema nicht nötig sein. Tatsächlich ist sie es mehr denn je. Tatsächlich braucht es noch viel mehr nichtkommerzielle und damit auch in dieser Hinsicht unabhängige Medien und Inhalte bzw. brauchen die bestehenden wesentlich mehr Reichweite und Ressourcen. Wie notwendig eine grundlegende Veränderung der österreichischen Medienlandschaft ist, zeigt der aktuelle rechtsextreme Erdrutsch, der schon seit Jahren in Bewegung ist, eine braune Masse, die immer schneller, größter und massiver wird und alles unter sich zu begraben droht. Dennoch stellt man ihr entweder ein paar Zahnstocher entgegen oder lässt sie als vermeintlich unvermeidbare Naturgewalt einfach weiterwachsen und baut ihr dadurch bereitwillig immer noch weitere Steilvorlagen und -hänge. Bloß um selbst nicht abgehängt oder ebenfalls begraben zu werden, bildet man sich ein, die Matschwelle surfen zu können. Das gilt – jeweils mit (ganz offensichtlich) zu wenigen Ausnahmen – für politisch Verantwortliche, für Akteur*innen der Zivilgesellschaft sowie für kommerzielle Medien. Wenn letztere nur einigermaßen gemäß des journalistischen Credos „Sagen was ist“ berichten würden, wäre der Aufstieg der extremen Rechten nie in diesem Maße möglich geworden.
Dies ist international, aber ganz besonders in Österreich der Fall. Denn kritischer Journalismus, der diesen Namen auch verdient, setzt medialen Pluralismus und Qualität voraus, während sich hierzulande das Gros der Printmedien in industriell-konservativer Besitzhand befindet1, kommerzielle Privatsender den nicht-staatlichen TV-Markt abdecken und die Reichweite von qualitativ hochwertigen Online-Medien immer noch mehr als überschaubar ist. Gleichzeitig müht sich eine Handvoll nichtkommerzieller Medienmacher*innen ohne Zugang zu Presseförderung (die nach wie vor an Verkaufszahlen gekoppelt ist, von der ergo die größten Medienkonzerne am meisten profitieren, obwohl sie mit genau der gegenteiligen Intention einst von Bruno Kreisky ins Leben gerufen wurde) mit alternativen Finanzierungskonzepten ab, die jedoch nur soweit tragen, wie eben die begrenzten Ressourcen reichen. Dies ist international, aber ganz besonders in Österreich der Fall. Denn kritischer Journalismus, der diesen Namen auch verdient, setzt medialen Pluralismus und Qualität voraus, während sich hierzulande das Gros der Printmedien in industriell-konservativer Besitzhand befindet.
Die enorme Wichtigkeit von Lokalmedien einerseits, neuen Formen und Formaten Berichterstattung sowie vertiefender, informativer und investigativer Hintergrundrecherchen andererseits ist rund um den Globus längst erkannt worden (schon 2017 erklärte Carl Bernstein, Journalist der Washington Post und Watergate-Aufdecker, bei einer Gastrede im Presseclub Concordia, ohne den Kahlschlag der US-amerikanischen Lokalpresse wäre Trump nie Präsident geworden). In Österreich scheinen solche Erkenntnisse so weit weg wie eine tatsächlich antifaschistische Regierung bzw. sind sie nur bei jenen angekommen, die sie ohnehin schon seit Jahren umzusetzen versuchen, unter den bekannten nahezu unmöglichen Bedingungen.
Die Normalisierung rechtsextremer Parteien und Politiker*innen hat selbige an die Macht gebracht. Es ist ein Mantra, das wir hier seit vielen Jahren wiederholen. Jetzt wird es wahrer als es auch einigen jener lieb ist, die uns dessen Zutreffen immer wieder vehement abgesprochen haben. Die Brandmauer gegen Rechts bleibt ein lodernd verklimmendes Bekenntnis. Wenn ein paar Reiche sich weigern, Vermögenssteuern zu zahlen, wird dafür eine faschistische Machtübernahme schulterzuckend durchgewunken. Müßig zu erwähnen, aber so oder so ähnlich war das doch schon mal. Das wissen zwar sowieso alle und umso mehr die unmittelbar Beteiligten, doch die Ignoranz dieses Wissens und der Folgen machen solche Entscheidungen umso schlimmer. Überraschung sind sie unfassbarerweise keine.
Was bleibt? Das Verteidigen freier, geschützter, kritischer Räume, analoger, urbaner, virtueller. Der Einsatz all jener, die eine faschistische Machtübernahme nicht zu akzeptieren bereit sind. Und: neue oder bekannte gangbare Wege des Sagen-was-Ist zu finden. Das sind jedenfalls immer solidarische, und nicht ausschließlich auf dem Papier oder Bildschirm. Doch schon dort ist diese Solidarität sehr viel oder vielmehr alles. Nur sie ermöglicht Information und Diskurs jenseits des braunen Sumpfes und des kommerziellen Taktierens auf Kosten von Menschenleben, Würde und Existenzen.
AUFRUF
Werde ausreißer-Abonnent*in!
Solidarischer Support ist notwendig! Es braucht dringender als je zuvor kommerziell und politisch unabhängige, antifaschistische Medien, wenn wir auch nur einen kleinen Rest von Demokratie, Meinungs- und Informationsfreiheit bewahren wollen. In Anbetracht der politischen Entwicklungen auf lokaler und nationaler Ebene ist unsere Lage als eines der wenigen Magazine, die nichtkommerziell journalistisch wie literarisch publizieren und informieren, mehr als unsicher. Dies gilt besonders angesichts der anstehenden radikalen Kürzungen der Kulturförderbudgets. Eine breite zivilgesellschaftliche Unterstützung ist daher nötig, um unsere Arbeit als kritische, qualitative und diverse Medienplattform fortsetzen und – ja, gerade hinsichtlich der aktuellen Lage – intensivieren zu können. Daher: Falls du noch kein Soli-Abo des ausreißer – Die Wandzeitung hast und eines abschließen kannst und willst: unterstütze uns JETZT! Jedes Abo zählt und leistet einen Beitrag gegen Rechtsextremismus und Menschenfeindlichkeit.
1 Zu Details zu den Eigentumsverhältnissen österreichischer Printmedien siehe: https://kontrast.at/medien-oesterreich/
Eine graphische Veranschaulichung der Besitzverhältnisse von österreichischen Medien ist hier zu finden: https://www.commit.at/materialien/medienkonzentration?utm_source=chatgpt.com und https://www.dossier.at/dossiers/politik-und-medien/konzentriert-und-verzerrt/
P.S.: Unser aktuelles Cover wurde mittels KI generiert. Zurück in die Zukunft. Oder doch umgekehrt. Der bleischwarze Treppenwitz der Geschichte auf Digitalstufe.