Petra Leschanz ◄
Rede von Petra Leschanz, Push-Back Alarm Austria,
vom 13. März 2021 beim We4Moria Solidaritätscamp, Graz
Ein herzliches Hallo, mein Name ist Petra Leschanz, ich bin Teil von Push-Back Alarm Österreich, eine Initiative, die seit einem Monat eine Hotline betreibt für Menschen, die bereits in Österreich angekommen sind, um Asyl ansuchen möchten, aber Angst haben im österreichischen Grenzgebiet von der österreichischen Polizei zurückgepusht(1) zu werden.
Seit 2015 war ich als Südsteirerin wie viele andere Grenzanwohner*innen an den Grenzübergängen Spielfeld und Radkersburg aktiv und es ist die zivilgesellschaftliche Initiative Border Crossing Spielfeld entstanden. Vor zwei Jahren war ich in Maribor, um unsere Erfahrungen vorzustellen und habe dort Simon (?) vom Border Violence Monitoring Network getroffen, der eine Landkarte an die Wand geworfen hat. Eine Landkarte von Bosnien, vom Kanton Una-Sana. Auf dieser waren viele rote Punkte eingezeichnet – Orte, an denen Pushbacks passiert sind. Orte, an denen das Border Violence Monitoring Network akribisch dokumentiert hat, was den Personen widerfahren ist. Wie sie gequält, gefoltert und verletzt worden sind, bevor sie wieder zurückgetrieben worden sind über die Grenze. Ich war damals sehr schockiert, aber auch fasziniert von der Arbeit, die da geleistet worden ist, weil ich als Juristin immer den Zugang habe, dass die Täter und Täterinnen dieser Menschenrechtsverletzungen zur Verantwortung gezogen werden müssen, strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden müssen. Dokumentationsarbeit ist Vorbereitungsarbeit dafür, das die Verantwortlichen für diese Menschenrechtsverletzungen eines Tages vor dem Richter, der Richterin stehen werden.(2)
Ich hätte mir damals nie träumen lassen, dass ich nur drei Jahre später von meiner eigenen Heimatregion, von der Südoststeiermark, eine Landkarte anfertigen würde, wo die Orte von Pushbacks markiert sind, die sich im letzten halben Jahren zugetragen haben. Das Border Violence Monitoring Network hat Menschen in Bosnien getroffen, die davon berichtet haben, wie sie im August, im September, im Oktober letzten Jahres an Orten aufgegriffen worden sind, die wir hier gut kennen. Wenn wir nach Radkersburg in die Therme fahren, oder in eine Buschenschank in Klöch, dann bewegen wir uns genau an den Orten, wo Leute letztes Jahr ab dem Sommer aufgegriffen und nicht nur nach Slowenien zurückgepusht worden sind, nachdem sie einen Asylantrag gestellt hatten, sondern diese Personen haben sich nur zwei Tage später an der kroatischen Südgrenze wiedergefunden, wo sie von vermummten, schwarz gekleideten kroatischen Grenzbeamten mit Knüppeln, die mit Stacheldraht umwickelt waren, zurück über die Grenze getrieben worden sind.(3) 48 Stunden dauert der Weg des Kettenpushbacks – von Halbenrain bis Bihać, oder aus Laafeld nach Velika Kladuša.(4) Wie häufig diese Pushbacks „passieren“, das war uns bis dahin noch nicht klar. Es gibt nur sehr eingeschränkt Datenmaterial aus dem Innenministerium. Die Initiator*innen des Pushbackarlarms haben schon im November 2020 über eine parlamentarische Anfrage erste Hinweise darüber bekommen können, um welche Dimensionen es sich hier handelt.(5)
Die tatsächliche Dimension haben wir letzte Woche erfahren. Derzeit läuft ein Verfahren gegen einen Kettenpushback aus der Südsteiermark, hier in Graz am Landesverwaltungsgericht in der Bürgergasse. Die erste Verhandlung letzte Woche hat zutage gebracht, dass im letzten halben Jahr 181 Personen aufgegriffen worden sind, in einem Gebiet, das nur etwa 10 km² groß ist, das ist die Region um Bad Radkersburg. 181 Menschen wurden also 2020 dort aufgegriffen. Ratet, wieviele davon die Möglichkeit hatten, einen Asylantrag zu stellen. Es waren 19.
162 Personen (das sind die Zahlen der Landespolizeidirektion Steiermark, die im Gerichtsverfahren zu Protokoll gegeben worden sind) wurden im zweiten Halbjahr 2020 wieder den slowenischen Behörden übergeben, wenige Stunden, nachdem sie hier aufgegriffen worden sind. Und spätestens einen Tag danach haben sich dieselben Personen wieder an der kroatischen Südgrenze den Rollkommandos gegenüber gesehen.
Es ist eine eingespielte Maschinerie. Es gibt Verantwortliche.
Diese müssen zur Verantwortung gezogen werden. Die Gerichtsverhandlung hat auch ergeben, dass Pushbacks heute in der Südsteiermark die neue Normalität sind. Beamte haben ausgesagt, dass ihr Prüfschema folgendermaßen aussieht: Hat die Person ein Visum? Ist die Person anderweitig aufenthaltsberechtigt? Woher kommt die Person? Wenn es sich um eine*n Drittstaatenangehörige*n handelt, der/die* kein Visum hat, dann ist mit Rückweisung vorzugehen. Asylanträge werden systematisch überhört. Die Verhandlung um den ersten Kettenpushback am Landesverwaltungsgericht wird im April fortgesetzt, wir sind sehr gespannt auf die Ergebnisse, die dieser erste Gerichtsprozess zutage fördern wird. Ich bin aber sehr sicher, dass dieser nicht der letzte bleiben wird.
Mit der Initiative Push-Back Alarm wollen wir Menschen erreichen, noch bevor sie zurückgepusht werden können, wenn sie schon auf österreichischem Boden sind. Sie können diese Nummer anwählen und wir nehmen auf ihren Wunsch hin Kontakt mit der Polizei auf. Wir melden, um wieviele Personen es sich handelt, dass diese Personen Asyl beantragen möchten und wo sich die Personen befinden. Damit wollen wir eine Monitoring-Funktion einnehmen, um zu erschweren, dass Menschen zurückgeschoben werden nach Slowenien, ohne dass ihr Asylantrag behandelt wird. Die Nummer ist seit 8. Februar 24 Stunden täglich erreichbar, von überallher. Wir haben Informationsflyer in 6 verschiedenen Sprachen aufgelegt, wir haben eine Facebook-Seite, die auch schon mehrere Personen genutzt haben, um von einem Pushback aus Österreich, der sich in den vergangenen Monaten zugetragen hat, zu berichten.
Das Bild, das sich ergibt, ist ein erschreckendes. Pushbacks passieren nicht nur in der Südoststeiermark, sie passieren auch in der Weststeiermark, sie passieren im Nordburgenland, sie passieren im Südburgenland – vor unser aller Augen und trotzdem unsichtbar. Aber dort, wie die Zivilgesellschaft präsent ist, dort ist diese Unsichtbarkeit, dort sind diese Menschenrechtsverletzungen nicht aufrecht zu erhalten.
Die Initiative ist entstanden trotz Corona, obwohl wir uns nirgends hinbewegen können, es haben sich Menschen aus ganz Österreich zusammengefunden und es ist ein stabiles Team entstanden, das diese Hotline auch noch für lange, lange Zeit wird betreiben können. Wir sind im Austausch und in guter Kooperation mit anderen Monitoring-Einrichtungen wie Border Violence Monitoring Network und anderen in ganz Europa, mit dem AlarmPhone Watch the Med, das in großartiger Weise ein ähnliches Alarmtelefon schon aufgebaut hat. Wir freuen uns insbesondere über eure Unterstützung, wenn ihr Menschen, die diese Telefonnummer und diese Facebook-Seite brauchen könnten, darüber informiert.
Pushbacks dürfen nicht zur neuen Normalität werden, weder in Griechenland, noch in Bosnien, Kroatien, Slowenien, Italien und schon gar nicht in Österreich.
Vielen Dank!
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Push-Back Alarm Austria auf Facebook:
www.fb.com/PushbackAlarmAustria
24-Stunden Telefonnummer für Betroffene:
+1 43 345 1 444
Email: pushbackalarm-austria@riseup.net
(1) Pushback bedeutet das erzwungene, oft gewaltsame Zurückdrängen von Menschen aus dem Schengen-Raum der EU durch Frontex bzw. nationale Grenzpolizei.
(2) https://www.borderviolence.eu/violence-reports/ (größte unabhängige Datenback zu Pushbacks in Europa)
(3) https://www.borderviolence.eu/violence-reports/july-15-2020-0000-piazza-liberta-trieste/
(4) https://www.borderviolence.eu/violence-reports/september-5-2020-1930-near-laafeld-austria/
(5) https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/AB/AB_04277/index.shtml