Kampf für Demokratie und Ökologie

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Heinz Wittenbrink ◄

In unserer neuen Kolumne „StadtStoffWechsel“ fragt Heinz Wittenbrink, wie wir hier in Graz ein gutes Leben führen können, ohne die Klimakrise weiter zu verschlimmern. In der ersten Folge der Kolumne publizieren wir eine Rede, die der Autor auf der letzten Grazer Klimademo gehalten hat.

Rede bei der Klimademo in Graz, 10.5.2025

Danke an euch alle, dass ihr hier seid und danke an die Fridays für die Einladung heute zu sprechen!

Ich bin hier als Teil der Plattform 1,5 Graz. Wir sind ein Zusammenschluss von Gruppen der Klimabewegung in Graz, die sich dafür einsetzen, dass die Stadt die Pariser Klimaziele einhält. Bei 1,5 Graz bin ich für Extinction Rebellion. Was ich jetzt hier sage, ist nicht abgesprochen und ich hoffe, dass klar wird, was davon eine gemeinsame Position abbildet und was Eigenüberlegungen sind.

Wir sind heute vor allem hier, um dagegen zu protestieren, dass die neue Landesregierung den Autoverkehr weiter fördert und damit das Gegenteil von dem tut, was sie tun müsste, nämlich den Klimaschutz zu intensivieren.

Ich möchte jetzt auf einen Aspekt eingehen, der mit der neuen steirischen Landesregierung zusammenhängt und auch mit internationalen Entwicklungen, vor allem mit dem, was sich gerade in den USA tut: auf die Einbindung der Anti-Klimaschutz-Agitation in die rechte Strategie des Kampfes gegen die liberale Demokratie.

Die neue Landesregierung ist nicht schwarz-blau wie auch andere Landesregierungen in Österreich. Sie ist blau-schwarz und hat einen Landeshauptmann von der FPÖ, den ersten, den es seit Jörg Haider in Österreich gibt. Die Klimapolitik oder Nicht-Klimapolitik der Landesregierung wird von einer Koalition von schwarzen Wirtschafts- und Landwirtschaftslobbyistinnen und rechtspopulistischen Klimaleugnern bestimmt, in der die radikal Rechten dominieren. Der Volkskanzler ist uns erspart geblieben, Mario Kunasek nicht. Der steirische Umweltlandesrat Amesbauer ist ein Scharfmacher aus dem Ring freiheitlicher Jugend, der „Kaderschmiede der FPÖ“ (Mario Kunasek, siehe FPÖ-Steiermark, 2023). Jemand, der nicht nur in seiner Jugend Verbindungen in rechtsextreme und neonazistische Kreise hatte (Lorenz et al., 2024; Lorenz, 2024; “Wer Ist Hannes Amesbauer?” 2017).

Zu Klima- und Umweltpolitik findet man nur wenige Äußerungen von Kunasek und Amesbauer. Amesbauer hat sich im Nationalrat für die Kriminalisierung von radikalen Klimaschutzbewegungen wie der Letzten Generation und Extinction Rebellion eingesetzt – also auch jener Bewegung, der ich angehöre (Hannes Amesbauer und weitere Abgeordnete, 2022). Er hat gleich bei einem seiner ersten Auftritte im Landtag nach seinem Amtsantritt die Grünen und die Grünen-Vorsitzende Krautwaschel als „Klimahysteriker“ verunglimpft (Hecke, 2025b).  Die FPÖ hat sich in ihrem Wahlprogramm dafür ausgesprochen, in den Schulen Antiklimaschutzpropaganda zu verbreiten (Wittenbrink, 2024), und sie hat der letzten Bundesregierung und der EU „Klimakommunismus“ vorgeworfen (FPÖ Steiermark, 2024). Sie steht insgesamt auf der Seite der Klimaleugner und Schwurbler.

Versucht man herauszufinden, was die neue Landesregierung klimapolitisch vorhat, dann stellt man fest, dass das Thema Klima ganz nach hinten gerückt ist, wenn es überhaupt erwähnt wird (Pilch, 2024, 2025a). Klimapolitik als Sachthema hat die Koalition aus dem Umweltressort ausgegliedert und der ÖVP überlassen, wo sie von Sabine Schmiedtbauer verwaltet wird. Schmiedtbauer ist eine Gegnerin des Verbrennerverbots und wesentlicher Elemente des Green Deal. Im Interview betet sie Phrasen der Klimaschmutz- und der Agrarlobby wie die von der Gefährdung der Wirtschaftsleistung und der Lebensmittelproduktion durch Klimapolitik nach (Eichenauer, 2024). Auch die frühere Landesregierung hat relativ wenig unternommen, um die Treibhausgasemissionen messbar und schnell genug abzubauen. Aber wenigstens im Bereich der Bewusstseinsbildung und der lokalen Mobilisierung war sie ausgesprochen aktiv.

Vor allem aber hat die Landesregierung unter FPÖ-Führung bis jetzt nicht das getan, was sie entsprechend der von ihr nicht widerrufenen steirischen Klima- und Energiestrategie hätte tun müssen: einen aktuelle Klima-Aktionsplan vorlegen (Pilch, 2024, 2025a). Die letzte Version ist Ende 2024 ausgelaufen. In der Kleinen Zeitung erfährt man weiters, dass die neue Landesregierung auf eine Präsentation des neuen Klimaatlas Steiermark (Geosphere Austria, 2024) zusammen mit den Autor*innen verzichtet hat (Pilch, 2025b).

Wir schauen alle gerade entsetzt auf die USA, wo die Regierung und die Oligarchen hinter der Regierung die Klimakatastrophe zynisch verschlimmern statt sie zu begrenzen. Dort werden Wissenschaft, Gerichte und bürgerliches Engagement für Klimagerechtigkeit offen bekämpft. Viele Fachleute, und nicht nur linke, sprechen angesichts der MAGA-Bewegung von Faschismus.

Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass das, was jetzt hier in der Steiermark passiert, in unserem lokalen Maßstab demselben Geist entspringt wie das, was wir in den USA beobachten. Das ist der größere Zusammenhang von Entscheidungen wie denen für den Ausbau der A9, gegen den Lufthunderter und gegen Verkehrsreduktion in Graz. Dahinter stehen dieselben Kräfte: Freunde und Vorkämpfer autoritärer Regime. Leute, die die liberale Demokratie durch eine autoritäre Regierungsform mit kontrollierten Medien ersetzen wollen. Leute, die die Wissenschaft bekämpfen und deren Parteien engste Verbündete und Geistesverwandte von autoritären Politikern wie Viktor Orbán sind.

Das passiert hier in der Steiermark an der Grenze zu Ungarn, wo Orbáns FIDESZ seit Jahren an der Macht ist, die Demokratie abgebaut hat und die europäische Politik blockiert, wo immer sie kann. Der Landeshauptmann gibt sich versöhnlich und steirisch, aber er fördert jüngere Einpeitscher – außer Amesbauer z.B. seinen Klub-Pressesprecher Alessandro Kopeter, der in Deutschland für den Faschisten Höcke Werbung gemacht hat (Hecke, 2025a). Für diese Leute gehören der Kampf gegen Klimapolitik in ein breiteres rechtsradikales, wissenschaftsfeindliches und anti-aufklärerisches Programm.

Aus der Sicht der Klimagerechtigkeitsbewegung haben wir es mit neuen Gegnern zu tun. Nicht mehr nur mit Leuten, die vor allem Wirtschaftsinteressen vertreten und die Klimakatastrophe verharmlosen oder ignorieren – sondern mit Leuten, für die die Antiklimapolitik ein Teil des Kampfes dafür ist, den autoritären Staat durchzusetzen. Sie arbeiten mit den existenziellen Ängsten der Menschen, die vom jetzigen, fossilen Wirtschafts- und Energiesystem abhängig sind, weil dieses System ihre Arbeitsplätze und ihre Lebensweise sichert.

Die neue Rechte ist auch ein Ergebnis der Klimakatastrophe

Wir haben also in der Klimabewegung einen neuen Gegner. Aber damit hat sich auch der Gegner der bisherigen antirechten und antifaschistischen Bewegungen verändert. Für viele in den Gruppen, mit denen wir zusammen gegen die radikale Rechte kämpfen,  sind die FPÖ und in Deutschland die AfD bisher vor allem eine Wiederkehr der alten rechten Bewegungen. Ich glaube, dass man aus der Sicht des bisherigen Antifaschismus verstehen muss, dass die neue Form des Rechtsradikalismus mit der Klimaproblematik und den großen ökologisch-sozialen Krisen zu tun hat, die es in den Zeiten des älteren Faschismus noch nicht gab.

Dass die Gruppen der Neuen Rechten so stark werden, hängt nicht nur mit akuten wirtschaftlichen Krisen zusammen. Es hängt ebenfalls – und ich glaube sogar: vor allem – damit zusammen, dass für jede*n sichtbar ist, dass wir planetare Grenzen überschreiten und zum Teil schon überschritten haben. Damit ist auch klar, dass wir zu einer radikalen Veränderung der Wirtschaft kommen müssen, um nicht in allerschlimmste Katastrophen zu geraten. Hingegen ist das Programm der radikalen Rechten, die Folgen dieser Wirtschaft zu ignorieren und stattdessen ihre Opfer zu unterdrücken, auszuweisen und zu bekämpfen.

Veränderungen, die nicht in kleinen Schritten erfolgen können, sind so eindeutig notwendig, dass ihre Gegner*innen Wissenschaft, Menschen- und Grundrechte in Frage stellen müssen, um den Status quo zu erhalten. Sonst geriete man in Widersprüche innerhalb der eigenen Programmatik und Kommunikation. Solche Widersprüche werfen FPÖ und AfD den Konservativen vor. Man muss Fakten und gleichzeitig auch rechtliche Ansprüche leugnen, um überhaupt noch behaupten zu können, dass die Verbrennung von fossilen Brennstoffen und eine Wirtschaft, die in wesentlichen Teilen auf dieser beruht, aufrecht zu erhalten sind. Die Erhaltung dieses Systems – ich würde es als fossilen Kapitalismus bezeichnen – erfordert zwangsläufig, dass autoritäre, faschistische, rechtspopulistische Kräfte Macht erringen bzw. an die Macht kommen.

Ich glaube, dass viele in der Linken oder auch bei den liberalen Gruppierungen, die jetzt gegen den Rechtspopulismus und -extremismus kämpfen, diese strukturelle Verbindung der neuen Formen des Faschismus, mit dem Aufrechterhalten der Fossilindustrie bzw. des fossilen Energiesystems noch nicht genügend berücksichtigen.

Der Kampf gegen diesen Autoritarismus und der Kampf für das Ende der Nutzung fossiler Energien sind deswegen nicht voneinander zu trennen. Sie erfordern beide ein hohes Maß an Entschlossenheit. Und in beiden Fällen geht es letztlich um dieselben Gegner, die weder vor der Manipulation der Öffentlichkeit noch vor der Kriminalisierung von Aktivist*innen zurückscheuen. Wie schnell aus Ausgrenzung Gewalt wird, lässt sich gerade in den USA beobachten. Ich unterstelle angesichts der Hetze der FPÖ gegen diejenigen, die sie als „Klimafanatiker“ oder „Klimaterroristen“ bezeichnet, dass nicht wenige ihrer Vertreter*innen und Anhänger*innen zu dieser Gewalt bereit sind. Schon heute brauchen Aktivist*innen wie Luisa Neubauer in der deutschen Öffentlichkeit Polizeischutz.

Antiökologische Politik schadet der politischen Mitte

Fakt ist aber: Diese autoritären Kräfte haben fast nirgendwo in Europa tatsächlich eine Mehrheit. Sie kommen nur an die Macht, weil sie von Teilen der Mitte, von demokratischen Parteien, die nicht im Kern wissenschaftsfeindlich und antirechtsstaatlich sind, unterstützt werden.

Bündnispartner*innen der radikalen Rechten sind konservative Gruppen, die Ökologie als Kampfthema missbrauchen. Die ÖVP in Graz agitiert zum Beispiel gegen die Stadtregierung und setzt sich letztlich für jeden einzelnen Parkplatz ein. In Europa weichen die Konservativen gemeinsam mit den Rechten den Green Deal auf. Die Ergebnisse dieser Politik sind ökologisch negativ und widersprechen elementar dem Stand des Wissens. Das gilt auch für die A9. Die Konservativen arbeiten mit dem Climate-Backlash der rechten Propaganda zu. Und sie sprengen das gesamte demokratische Lager.

An die demokratischen Kräfte müssen wir appellieren, das Bündnis mit den Rechtspopulisten, mit Wissenschaftsfeinden und Gegnern des Rechtsstaats endlich aufzukündigen. Das gilt hier in der Steiermark vor allem für die ÖVP, die andere Optionen hatte und auch heute hat, als mit einem ehemaligen FPÖ-Minister einen Verbündeten Orbáns und Putins zum Landeshauptmann zu machen. Das gilt aber auch für die Presse, etwa die Kleine Zeitung, die in weiten Teilen über diese rechtsradikal geführte Landesregierung leider mit  Journalism as usual berichtet.

Deshalb möchte ich zum Abschluss vor allem an die Kräfte der sogenannten Mitte auch hier in der Steiermark und Graz appellieren: Erkennt endlich an, dass das Ignorieren von Fakten – wie zum Beispiel der Notwendigkeit, den Autoverkehr zu reduzieren – nicht etwa der Wirtschaft nutzt, deren Neuausrichtung es blockiert, sondern auf Dauer einfach den Rechten. Dass diese Ignoranz, die den jüngeren Generationen die Zukunft verbaut, nur jene Leute stark macht, die euch so entmachten wollen, wie es Trump mit den Konservativen bei den Republikanern vorgeführt hat. Ökologische Politik und Politik für die Demokratie lassen sich nicht voneinander trennen. Und umgekehrt sind die ökologische Katastrophe und die politische Katastrophe des autoritären Nationalismus zwei Seiten derselben Medaille.

Wir sind heute in der Klimagerechtigkeitsbewegung viel weniger als vor ein paar Jahren. Und der Widerstand gegen Rechts ist noch lange nicht groß genug. Wir müssen unsere Kräfte deshalb bündeln. Unsere Gegner haben wesentlich besser als viele von uns begriffen, dass der Kampf gegen die Demokratie und der Kampf gegen die ökologische Transformation zusammengehören.

Nachweise
Eichenauer, R. (2024, June 6). Heimgekehrt: Landesrätin Simone Schmiedtbauer im Gespräch. Weekend.at. https://www.weekend.at/bundesland/steiermark/simone-schmiedtbauer-interview
FPÖ Steiermark. (2024). Bodenständig, mutig, steirisch. Wahlprogramm der FPÖ Steiermark für die Landtagswahl 2024. https://www.fpoe-stmk.at/files/content/blog/2024/2024-10-17WahlprogrammFP%C3%96SteiermarkLTW2024.pdf
FPÖ-Steiermark. (2023, June 3). Mario Kunasek und Stefan Hermann gratulieren Alessandro Kopeter zur Wahl zum neuen RFJ-Landesobmann! https://www.fpoe-stmk.at/blog/detail/mario-kunasek-und-stefan-hermann-gratulieren-alessandro-kopeter-zur-wahl-zum-neuen-rfj-landesobmann
Geosphere Austria. (2024). Klimaatlas Steiermark – Klima und Klimawandel 1961 – 2100 (Land Steiermark, Ed.). https://app.luis.steiermark.at/berichte/Download/Klimaatlas/Klimaatlas_Steiermark_web.pdf
Hannes Amesbauer und weitere Abgeordnete. (2022, December 13). Entschließungsantrag betreffend Aufnahme von Klimaterrorismus und -extremismus in den Verfassungsschutzberichtentarische Materialien. https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVII/A/3050/fnameorig_1489291.html
Hecke, B. (2025a, April 16). Rechtsextreme Landesgruppe: Steirischer FPÖ-Klubsprecher war mit seiner Agentur AfD-Werber. Kleine Zeitung. https://www.kleinezeitung.at/steiermark/19585530/fpoe-klubsprecher-war-mit-seiner-agentur-afd-werber
Hecke, B. (2025b, April 29). Harter Schlagabtausch um den Luft-Hunderter zwischen Blau und Grün. Kleine Zeitung. https://www.kleinezeitung.at/steiermark/landespolitik/19629800/panikmache-klimahysterie-und-das-ende-der-welt
Lorenz, L. (2024, December 20). “Edit-war” auf Wikipedia um rechtsextreme Kontakte von Landesrat Amesbauer. DER STANDARD. https://www.derstandard.at/story/3000000249843/edit-war-auf-wikipedia-um-rechtsextreme-kontakte-von-landesrat-amesbauer
Lorenz, L., Neuhold, T., Oestringer, S., Ruep, S., Schmid, F., Schmidt, C. M., & Sulzbacher, M. (2024, September 24). Kickls radikale Mitstreiter: Wer hinter dem FPÖ-Chef kandidiert. DER STANDARD. https://www.derstandard.at/story/3000000237639/kickls-radikale-mitstreiter-wer-hinter-dem-fpoe-chef-kandidiert
Pilch, G. (2024, December 31). Steiermark unter FPÖ/ÖVP: Klimakrise weicht „Interessen der Autofahrer“. Kleine Zeitung. https://www.kleinezeitung.at/steiermark/19207990/die-klimakrise-weicht-den-interessen-der-autofahrer
Pilch, G. (2025a, March 27). Trotz fertigem Plan: Klima-Maßnahmen hängen in der Steiermark fest. Kleine Zeitung. https://www.kleinezeitung.at/steiermark/19510207/massnahmen-fuers-klima-haengen-in-budgetgespraechen-fest
Pilch, G. (2025b, March 28). Opposition geißelt Fehlen des steirischen Klimaplans. Kleine Zeitung. https://www.kleinezeitung.at/steiermark/19521654/opposition-geisselt-fehlen-des-steirischen-klimaplans
Wer ist Hannes Amesbauer? (2017). Der Sozialdemokratische Kämpfer, 07-08-09, 9–9. http://www.freiheitskaempfer.at/wp-content/uploads/2017/09/FK3_2017-f%C3%BCr-WEB.pdf
Wittenbrink, H. (2024, November 25). Wahlprogramm der FPÖ Steiermark zur Klimapolitik. Lost and Found. https://wittenbrink.net/wahlprogramm-der-fpoe-steiermark-zur-klimapolitik/