Ulrike Winkler ◄
Ort: jeder Ort in Österreich
Zeit: jederzeit
Die Bühne ist aufgebaut. Ein paar Menschen stehen herum. Na ja, es sind gar nicht so wenige. Sie gehen herum, stehen herum, begrüßen sich, halten ihre Bierkrüge fest in den Händen. Gleich wird es los gehen. Die Band betritt schon die Bühne, die Band, die immer bei diesen Anlässen dabei ist. Sie stimmen ein Lied an, der Bandleader begrüßt die Gäste, heißt sie willkommen, freut sich, dass man sich wieder trifft. Weil bald, da können sie uns nicht übersehen, bald können sie uns nicht runter schreiben, verkündet er. Noch ist die Stimmung gedämpft, noch ist es fast leise. Ein Paar übt seine Tanzschulschritte, noch ist Platz genug, gleich unter der Bühne.
Aber dann wird es mit jedem Tusch lauter, mit jedem Tusch wird ein neuer Gast auf der Bühne begrüßt, der Bandleader weiß gar nicht mehr wohin mit seiner Freude. Und die Bühne ist plötzlich voller Fahnen, die hin und her schwenken. Das Publikum drängt nach vorne, es wird eng und enger, auf einmal sind sie alle da, und sie schwenken auch kleine Fahnen, diese aus Papier, die nun jeder in die Hand gedrückt bekommt. Und alle singen und klatschen und johlen, und es wird wild und immer wilder, von der Bühne trieft die Bösartigkeit, jetzt wird keiner mehr verschont, da macht man sich lustig über die da oben, die da oben die alle weg gehören. Und die Nichtsnutze, die nur unser Geld wollen, die schieben wir ab, und wir bauen eine Festung und bleiben unter uns. Die oben auf der Bühne schreien zu denen hinunter, die vor der Bühne stehen. Die großen Fahnen biegen sich nach links und nach rechts und reißen die Fahnenschwinger fast um, aber sie hören nicht auf, und die Lautstärke schwillt an, und dann verbreitet sich plötzlich bestialischer Gestank und die Redner werden dunkelrot im Gesicht und schreien, dass sie sich von solchen Sabotageakten und Stinkbombenwerfern sicher nicht vertreiben werden lassen. Immer wieder Österreich, auf immer und ewig, singen sie dann. Und da halte ich den Gestank, der sonst niemand zu stören scheint, nicht mehr aus. Ich gehe. Es ist heiß, es ist unerträglich heiß, die Niederträchtigkeit und die Gemeinheit und der Spott verfolgen mich, strecken ihre dürren Arme mit ihren langen Fingern und spitzen Nägeln nach mir aus. Ich werde immer schneller, laufe, komme außer Atem, kann meine Haustür kaum aufschließen und drücke sie dann mit aller Kraft von innen zu.