Einordnen mit Tinnitus

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Dominik Leitner

“Trump für Harris ein Faschist” schreibt die blaue Seite des österreichischen Öffentlich-Rechtlichen, und gibt damit nur wieder, was gesagt wurde. Niemand hier will mehr anecken, will niemanden vergrämen, will in Wahrheit all die wieder zurückgewinnen, die doch schon längst verloren sind. Vor jeglicher Einordnung weicht man zurück, um nicht einer politischen Schlagseite vermeintlich nahe zu stehen. Man will berichten, so objektiv wie nur möglich, so objektiv, so furchtbar objektiv, und verfallen in diesen radikalen Strom des bothsideisms. Wir berichten nur mehr, was die Eine gesagt hat, über den Anderen und wie der Andere zurückschießt, aktuell noch mit Worten. Und nennt sie dabei genau das, worüber jetzt gerade berichtet wird, auch nicht zum ersten Mal und doch wird darüber schon gar nicht mehr geschrieben, weil er redet und ruft und schreit und schimpft und das schon seit Jahren. Er ist wie mein Tinnitus, der uns schon seit 10 Jahren begleitet, seit dieser goldenen Rolltreppe in seinem Tower. Zehn Jahre schon schreit er uns die Ohren voll, verleumdet, lügt, lügt, lügt so viel, dass ihm doch in Wahrheit niemand mehr trauen dürfte und doch ist es knapp. Man hat sich arrangiert damit, dass da immer einer schreit und all seine Strategien werden übernommen, von den (zurecht nicht gegenderten) Idioten an den Spitzen so viele Parteien und schon so mancher Länder. Laut wird gerufen, damit jede logische Stimme, jeder Funken Wahrheit, jede Form von Menschlichkeit begraben wird unter all dem Müll, Müll, Sondermüll, der da tagein, tagaus produziert wird aus den gehässigen Mäulern dieser Menschen.

Aber einordnen? Nein, danke. Die Medien brauchen sie ja, die Medien würden müde werden, wäre er nicht mehr da. Die Medien feiern es, wenn sie von ihm beschimpft werden, weil er ihnen Aufmerksamkeit schenkt. Nie, nie, nie würden sie ihn einen Faschisten nennen, das machen doch so viele, das machen seine früheren Mitarbeiter, das macht doch auch sie. Berichten wir darüber und gönnen wir uns diese Wortfetzen, diese Soundbytes, diesen Horse-Race-Journalismus. Alles muss ein Kampf sein, alles muss ausgefochten werden, jeder Skandal ist der größte Skandal und am Ende begraben sie all die Skandale unter ihren zahlreichen Kollegen. Es ist alles immer zu viel, es ist laut, es hört niemals auf. Wir dürfen nicht mehr zur Ruhe kommen, wir sind im Sog, sind in der Generation Krise. Alles ist Krise und so manche Medien schöpfen aus den Krisen die Chance, sich zu profilieren. Wenn in Salzburg die Existenz von Krankheiten geleugnet, wenn der Klimawandel dann doch nicht so schlimm, wenn von Salzburg aus Wien ausschaut wie ein Bürgerkriegszentrum, wenn der betriebsratlose Sender mehr und mehr und mehr Menschen erreicht, weil er ganz gezielt dagegen ist, gegen den “Mainstream” und dabei auch regelmäßig gegen jede Logik, dann will man als “gutes” Medium nicht einordnen. Man will nicht anecken. Man will berichten. Berichten ist das, was man gelernt hat.

Die Menschen selbst sollen dann einordnen, was denn jetzt stimmt. Man will ja nicht bevormunden, man will ja nichts predigen, man will nur berichten. Nach all den Jahren, in denen man den Menschen genau dieses Einordnen abtrainiert hat durch jahrelange falsche Gleichwertigkeit. Aber man berichtet, trägt zum Tinnitus bei, trägt ihn auf den Händen, und wird ihm auch nach der gehofft unschrecklichen Wahl, die umso schrecklicher ausfiel, weiterhin jede Plattform bieten, um all seine Lügen anzuhören, weil das halt Quote bringt, es bringt Leser, es bringt Wut und Ärger, aber einordnen. Das, ja das, das wär doch zu viel.