Markus Mogg ◄
24 Stunden später – die Wahl ist geschlagen, das Ergebnis kann sich sehen lassen und bietet den gebeutelten Sozialdemokrat*innen nach langer Zeit erstaunlich festen Boden unter den Füssen. Gehen wir mal davon aus, Babler und sein Team schaffen es, an Medien und Prognosen – und an der Sabotage durch düpierte Parteigranden – vorbei, ihr Projekt der „24 Ideen für Österreich“ in Angriff zu nehmen. Beginnt nun für das kleine Österreich der Horror, den konservative wie wirtschaftsliberale Warnrufe kommen sahen?
Das alltägliche Leben ändert sich unter dieser neuen SPÖ-Ägide nicht so schnell. Aber zumindest greifen die versprochenen Mietpreis- und Zinsbremsen auf dem Miet- bzw. Wohnbausektor recht rasch, um einige Teuerungen abzufedern. Andere Wohnvorhaben gelingen nicht so einfach: Vor der Umsetzung der Forderung nach einer verpflichtenden Widmung von Bauland für gemeinnütziges und ökologisches Bauen sorgt noch ein kurzer Bauboom, ausgerichtet auf Anleger*innen, für weitere urbane Verbauung und Leerstand – diese Immobilien bleiben Spekulationsobjekte.
Im behäbigen Österreich wird die angekündigte Beibehaltung von Bargeld und das Recht auf ein analoges Leben gern gesehen, die Umsetzung ist angesichts der Fortschritte bei der Digitalisierung von Verwaltung und Banken aber gegenläufig. Die versprochene Etablierung von Bank-, Post- und Verwaltungsdienstleistungen vor Ort erweist sich gerade in ländlichen zersiedelten Gegenden als herausfordernd. Aber in einigen regionalen Gemeinden zeigt sich der Ansatz, auch Kleinunternehmen durch gezielte Revitalisierungsmaßnahmen und gemeinschaftliche Nutzungskonzepte zu fördern, als hilfreich, um das weitere Aussterben von Ortskernen zu verhindern.
Die Wiederbelebung regionaler Angebote lässt sich auch durch arbeitsmarktpolitische Projekte leichter in Angriff nehmen, ebenso die Idee von gesunder Verpflegung für Schüler*innen, die als Teil des Kampfes gegen Kinderarmut gestartet wird. Der weitere Ausbau von Förderungen für Arbeitsplatzgarantien wie dem im Programm erwähnten Marienthal-Projekt gibt tatsächlich Arbeitssuchenden leichteren Zugang zu Beschäftigung und mehr Jobsicherheit – etwas, das der sozialökonomische Sektor schon lang gefordert hat und nun regional mitgestalten kann. Unmut regt sich wenig überraschend in Wirtschaftskreisen, die fürchten, dass diese Maßnahmen sie Arbeitskräfte kosteten. Ebenso wird die ambitionierte Verkürzung der Arbeitszeit von Unternehmensseite erwartungsgemäß scharf angegriffen. Ihre Umsetzung wird noch einige Zeit dauern, und noch etwas länger, bis die Vorteile für die meisten Österreicher*innen entsprechend spürbar wurden. Der Arbeitsmarkt findet sich rasch mit dem Thema Integration verknüpft. Jobtrainings und der Ausbau des Integrationsjahres fordern eine Bündelung an Ressourcen und Kompetenzen. Allerdings lässt das Programm außer Acht, dass ein interkulturelles Zusammenleben auch abseits des Arbeitsmarkts stattfindet, und so leben Menschen weiter vor allem nebeneinanderher. Mutige Ideen – die es an sich schon im SP-Parteiumfeld gab, wie die steirische Charta des Zusammenlebens in Vielfalt – wären gefragt.
Die vielen Baustellen im Gesundheitssystem können nur langsam bewältigt werden, etwa die versprochenen Termingarantien für Besuche bei Fachärzt*innen. Um das Ungleichgewicht der Geschlechter bei Diagnose und Behandlung zu adressieren, setzt Bablers Team auf die Idee, günstige bis kostenfreie Leistungen für Frauengesundheit zu schaffen, und auf Konzepte der Gender based Medicine, aber auch hier müssen Kompetenzen auf vielen Ebenen aufgebaut werden. Da der Fokus des 24 Ideen Programms auf Themen wie der Ausweitung des Medizinstudiums und der pflegerischen Ausbildung liegt, kommen andere strukturelle Ansätze wie ein weiterer Ausbau sozialmedizinischer Zentren zu kurz. Auch die Förderung von Health Literacy bleibt ein heißes Eisen, obwohl mit Expert*innen wie der Initiative Gesundes Österreich viel Know-how da wäre.
Weitere frauenpolitische Forderungen des Programms umfassten jene nach Geschlechtergerechtigkeit bei Lohn durch Lohntransparenz und den Schutz von Frauen* vor Gewalt. In Bezug auf Löhne und Gehälter ist es mit der Transparenz allein nicht getan, die Umsetzung des Equal Pay Standards erfolgt auf vielen Ebenen im gewohnt österreichischen Tempo. Den Ausbau des Gewaltschutzes für Frauen* begünstigen bereits vorhandene Expertisen, aber die regionalen Strukturen Österreichs wie die Zersiedlung machen eine rasche Abdeckung durch die Angebote kompliziert. Andere Frauenfragen werden hingegen eher als Nebenschauplätze betrachtet.
Die Herausforderungen des Bildungssektors zu meistern bedeutet laut der 24 Ideen eine Schule ohne Druck aufzubauen, aber hier entsteht besagter Druck gerade aus der erwartbaren Veränderungsresistenz des Schulsystems. Kostenfreie Kindergartenplätze bringen hingegen unmittelbar positive Effekte.
Lösungen der Klimakrise finden sich in Bablers Programm vor allem in einer ökosozialen Transformationsstrategie mit dem erklärten Ziel: grüne Technologie made in Austria, gestützt durch den Aufbau einer entsprechenden Infrastruktur und der Bündelung von Fördermaßnahmen, die zuvor auf mehrere Ministerien verteilt waren. Die ökologischen Fragen werden hingegen eher schleppend angegangen, da sie weniger zu den Kernkompetenzen der SPÖ gehören. Im öffentlichen Verkehr wird ein Ausbau vorangetrieben, allerdings mit einigen Verzögerungen. Der Bahnsektor ist nicht begeistert, nun wieder nicht lukrative Strecken öffnen zu müssen, auch der Ausbau der anderen Öffi-Anbindungen setzt viel detaillierte Arbeit voraus.
Das Rekrutieren neuer Polizist*innen und Änderungen im Dienstrecht erweisen sich als herausfordernd, gerade mit einer Gewerkschaft, deren parteipolitische Präferenzen woanders liegen. Immerhin werden mögliche Anwärter*innen nicht wie unter einem gewissen Vorgänger auf rechtsextremen Plattformen umworben. Was der Polizei weiterhin fehlt, sind Zugänge, die für mehr Diversität sorgen würden. Fazit: Manche Ansätze und Ambitionen können nur langsam umgesetzt werden. Der Horror der Konservativen bleibt aus, die vermeintlichen Kassandras aus Thinktanks und Feuilletons verweilen jedoch in konstanter Panik ob des programmatischen Erfolgs.