Eva Ursprung ◄
Für mich als Künstlerin und Ausstellungsmacherin war die Pandemie eine starke Herausforderung an die Kreativität. Ungerecht waren die wesentlich stärkeren Restriktionen, denen wir gegenüber dem Handel ausgesetzt waren. Kunst und Kultur sind Lebensmittel, der Zugang dazu sollte bei Einhaltung aller Vorsichtsmaßnahmen gewährleistet bleiben.
Sehr problematisch sehe ich die vermehrte Überwachung, die im Zuge der Maßnahmen gegen die Pandemie eingeführt wurden. Sofern es keine Ansteckungen gibt, verbleiben die Daten jedoch im Veranstaltungsort und werden hoffentlich auch tatsächlich nach Zeitablauf vernichtet. Im Fall von Infektionen ist die Nachverfolgbarkeit ein wichtiges Mittel zur Prävention weiterer Erkrankungen. Mehr Sorgen bereitet mir die auch ohne Pandemie seit längerem Usus gewordene Datensammlung über soziale Netzwerke und kommerzielle Plattformen, Staatstroyaner, Überwachungskameras, Mobiltelefondaten, E-Books, Fitnessarmbänder, immer ausgeklügeltere Überwachungssysteme am Arbeitsplatz etc.
Auf die ständig wechselnden Verordnungen, Reise- und Kontaktbeschränkungen reagierte ich mit umfassenderer Einbeziehung des digitalen Raums in Produktionsprozesse und Präsentationen. Online-Shows mit vielen Kameras und auswärtigen Stationen wurden inszeniert, die Produktion von Videos ersetzte oft das Live-Erlebnis. Für alles musste ein Plan B in petto sein, was den Arbeitsaufwand vervielfachte. Technische Geräte mussten angeschafft werden, zusätzliche Mitarbeiter!nnen waren notwendig, um den Mehraufwand zu bewältigen.
Ich glaube aber nicht, dass die Virtualisierung irreversibel ist: man spürt den Hunger nach direkter Kommunikation und Interaktion und wird so schnell wie möglich dazu zurückkehren. Die virtuelle Präsentation kann das direkte Erleben nicht ersetzen.
Für das EU-Projekt „Mobilise/Demobilise“ in Kooperation mit Künstler!nnen in mehreren Ländern entwickelte ich gemeinsam mit sieben Grazer Akteur!nnen eine Online-Performance. Hier waren die Auswirkungen der Reisebeschränkungen besonders stark zu bemerken: Mit den internationalen Partner!nnen konnte ausschließlich online zusammengearbeitet werden, das Fehlen von direkten Kontakten erschwerte die Projektentwicklung. Anstatt einer gemeinsamen Produktion entstanden so in jedem Land separate Performances mit einigen gemeinsamen Elementen und Interaktionen.
Eindeutig gelitten hat die Musik. Meine Band konnte kaum proben, Auftritte wurden abgesagt oder massiv beschränkt. Punkkonzerte mit zugewiesenen Sitzplätzen waren eine wertvolle, wenn auch etwas absurde neue Erfahrung. Die Rauheit des Punks litt zudem an der neu gewonnenen Zeit zum Üben, auch wenn dies ohne Verstärker allein in der Wohnung stattfinden musste.
Trotzdem sehe ich auch positive Aspekte: Der Erfolg von Projekten wird nicht mehr so stark in Besucher!nnenzahlen gemessen, Experimente im kleinen Kreis werden endlich wahrgenommen und gewinnen an Wertschätzung. Als Medienkünstlerin ist der nunmehr breite Zugang zu Online-Formaten eher von Vorteil. Der Publikumskreis konnte eklatant erweitert werden, es gibt wesentlich mehr Akzeptanz und Verständnis.
Eva Ursprung arbeitet als freischaffende Künstlerin und Kuratorin in Graz. Aktionen, Installationen, Objekte, Kunst im öffentlichen, sozialen und elektronischen Raum. Arbeit mit Video, Fotografie und Klang; (Musik-)performances. Gründungsmitglied der feministischen Kulturzeitschrift Eva & Co (1982-1992), 1993 Gründung des Kunstvereins W.A.S. (Women’s Art Support). 1997-2003 Kuratorin für bildende Kunst im Forum Stadtpark, seit 2005 im Vorstand von IMA (Institut für Medienarchäologie). 2008 Gründungsmitglied und bis 2021 Präsidentin von Schaumbad – Freies Atelierhaus Graz. 1997 Kunstförderungspreis der Stadt Graz; 2007 Jurypreis der Associazione Culturale Ateneo delle Idee, Udine (Broccoli Art Group).