Ulrike Freitag, Stephanie Liebmann, Evelyn Schalk ◄
über.arbeiten
Arbeit nimmt einen großen, oft zu großen Teil unserer Leben ein. Die Frage „Wie wir leben wollen?“ bedeutet unweigerlich auch eine Reflexion von Arbeit, ihren Bedingungen, ihrem Fehlen, ihrem Zuviel. Das Arbeitsmarktservice (AMS) Nord mit dem nahegelegenen Arbeiterstrich stellt in dieser Hinsicht einen vielfachen Kreuzungspunkt in der Stadt und im Leben vieler ihrer Bewohner*innen dar. Literarische Verortung, Auseinandersetzung, Berührung mit dem Ort und den Menschen, die sich hier aufhalten (müssen), findet eher selten statt. Solidarisches Begegnen entsteht nicht von selbst, es gilt Räume zu öffnen und zu schaffen, die Entdecken, Austausch, Debatte auf Augenhöhe jenseits sozialer Barrieren ermöglichen.
Gemeinsam mit der Arbeitsmarktexpertin Veronika Bohrn Mena, der Literatin Marie Luise Lehner und Astrid Dreger, Gleichstellungsbeauftrage des AMS Graz und Berufsberaterin haben wir einen Brückenschlag versucht. Aus den Plänen, diesen in, um und aus den Räumen des AMS hinein und heraus zu manifestieren, ist pandemiebedingt eine im Live-Stream übertragene Diskussion geworden, die sich nach dem eindringlichen literarischen Input von Lehner sowohl mit den aktuellen Bedingungen auseinandersetzt, als auch darüber hinaus beharrlich die Frage nach einer Utopie stellt; jene, wie wir tatsächlich arbeiten und eben auch leben wollen.
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Nachzusehen hier: http://www.literaturhaus-graz.at/livestream-wortwechsel-ueber-arbeiten/
wasch.gang
Eine literarische Neuerkundung des Griesviertels, Gentrifizierung, Alltagsbedarf, Migrations- und Arbeiter*innengeschichte und -gegenwart – ein Spaziergang mitten durch jene Gassen, die den Charme des Viertels ausmachen und in denen es immer wieder etwas Neues oder auch sehr Altes zu entdecken gibt. Corona hat die Realitäten verschoben, die Erfahrungen verändert und da wir nicht mit Publikum durchs Grätzl mäandern konnten, bringen wir dieses kurzerhand in alle Wohnzimmer. In sechs kurzen Videos kann man mit den Füßen auf der Couch das Griesviertel erkunden und an insgesamt sechs Stationen die Autor*innen Martin Murpott, Johannes Wally und Autorin Kateřina Černá treffen. Sie haben sich auf Spurensuche und Recherchereise begeben und ihre vielältigen Begegnungen in Texten festgehalten. Waschsalon, Bürsten- und Korbladen, Afro-Salon, Bike-Shop, historische Druckerei und ein ehemals besetztes Haus liegen am literarischen Weg und die Geschichten ihrer Inhaber*innen, Kund*innen und Bewohner*innen bilden einen literarischen Fleckerlteppich, der sich über das gesamte Griesviertel spannt. In den Videos werden seine Stränge sichtbar, finden seine Knoten wortreichen Niederschlag und öffnen Haus-, Läden- und Gedankentüren. Vielfältig, widerständig, intensiv wie das Griesviertel selbst.
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https://ausreisser.mur.at/2021/05/15/wasch-gang/
zwischen.zeilen
Drei Autor*innen, sechs Insassen der Justizanstalt Graz-Karlau, eine Brieffreundschaft. Was ein literarischer, wenige Monate dauernder Briefwechsel hätte werden sollen ist – man kann schon fast sagen „dank Corona-Pandemie“ – zu einer gut anderthalb Jahre dauernden Brieffreundschaft zwischen Autor*innen und Häftlingen geworden. Aus diesen Briefen hätten die Beteiligten in einer Veranstaltung lesen sollen, die die Gitter, die Grenze zwischen ihnen für einen Tag augehoben hätte. In der Karlau, im Häf‘n, ein literarisches nicht Wieder- sondern Erstmalssehen. Doch Covid-19 hat die Isolation verstärkt und diese Form des Treffens verunmöglicht. Drinnen, draußen, Sichbarkeit, Brüche, Distanz, Annäherung.
Für eine Videoaufzeichnung lesen die beiden Schauspieler Christian Ruck und Franz Solar aus den Brieftexten der Gefangenen Christian, Helmut, Karl, Karl-Severin, Martin und Kurt mit den Autor*innen Christoph Dolgan, Alfred Goubran und Sandra Gugić. Ohne Live-Publikum, dafür mit Filmteam fand diese Begegnung im Literaturhaus Graz statt und in der anschließenden Diskussion Josef Mock (Leiter Justizanstalt Graz-Karlau), Monika Mokre (Politikwissenschaftlerin und Aktivistin, Österreichische Akademie der Wissenschaften) sowie Simone Philipp & Anton Christian Glatz (Workshop-Reihe „Literarisches Schreiben in der Karlau“) aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet.
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Die Aufzeichnung ist hier nachzusehen. http://www.literaturhaus-graz.at/online-wortwechsel-zwischen-zeilen/
Und: Einige der Briefwechsel gehen weiter, über, wegen, trotz, über die Umwege des Lebens, Schreibens und Kommunizierens.
stadt.teilen
Ein Spaziergang durch die Triestersiedlung. Physisch, live, vor Ort. Fenster, die aufgehen, Wiesen, die überquert werden, Innenhöfe, die Lebensraum sind, Fassaden, die Geschichten erzählen und Menschen Raum geben. Wohnraum. Die Triestersiedlung ist eine der ältesten Gemeindebau-Anlagen der Stadt. Die drei Poetry-Slammer*innen, Autor*innen und Künsterl*innen Precious Nnebedum, Klaus Lederwasch und Christine Teichmann waren da, immer wieder, zum Reden und zum Zuhören. Sie haben die Erinnerungen und Eindrücke von Bewohner*innen des Stadtteils Triester zu Texten verarbeitet, die sie bei drei Spaziergängen quer durch das Viertel präsentierten. Tatkräftige Unterstützung gab es von Elisabeth Hufnagl und dem Stadteilzentrum Triester. Die Spaziergänge haben so einige Teilnehmer*innen gehörig überrascht. Ist die Siedlung doch bei genauerem Hinsehen viel mehr und wesentlich anders als das, was man von ihr zu wissen meint. Vielfältig, spannend, grün (!) und voller Liebe. Es war miteinander verbrachte Zeit, vorab und wähernd des Lesens und Spazierens, die sämtlichen Beteiligten, Bewohner*innen, Literat*innen und auch uns als Kurator*innen Lust auf mehr gemacht hat: Mehr Veranstaltungen wie diese, mehr Erfahrungen wie diese, mehr Interaktion mit der Stadt, in der wir leben. Alle.
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Texte und Fotos sind in der voliegenden ausreißer-Ausgabe sowie online auf
https://ausreisser.mur.at zu finden.
drauf.schauen
drauf.schauen. Auf ein Projekt, das uns statt weniger Monate fast zwei Jahre begleitet hat. drauf.schauen auf eine unglaubliche Vielfalt an Texten, verfasst von ebenso vielfältigen Autor*innen. drauf.schauen auf eine Idee, die Realität wurde, in einer Zeit, in der Realität kostbar geworden ist. Die Abschlussveranstaltung des wORTwechsel, bietet den Beteiligten die Möglichkeit, Auszüge ihrer für das Projekt verfassten Texte vor Publikum zu präsentieren. Es wird kreuz und quer gelesen. Es wird erzählt. Es wird diskutiert. Und mit ein bisserl Glück, wird auch gefeiert. Es ist aber auch Gelegenheit, all jenen zu danken, die uns bei dieser Veranstaltungsreihe unterstützt haben, die uns an ihrer Welt teilhaben ließen und lassen. Denn es geht weiter mit Text in der Stadt und Stadt im Text, weil wORTwechsel drauf- und miteinander schauen, lesen, schreiben bedeutet, jetzt und in Zukunft.
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drauf.schauen
Lesung & Präsentation
24. 6. 2021, 19 Uhr, Literaturhaus Graz
http://www.literaturhaus-graz.at/veranstaltung/wortwechsel-drauf-schauen/