CALL FOR PAPERS #117

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Call for Papers #117 – „WeltBild“

Die nächste ausreißer-Ausgabe fokussiert auf das Thema „WeltBild“. Wie ihre Darstellung die Realität der Welt prägt, manifestiert sich an der Wirkung totalitärer Ideologien tagtäglich, die wiederum umgekehrt die Kontrolle über Bilder und Perspektiven des Seins zu übernehmen trachten. Nicht umsonst ist allen autoritären Regimen gemeinsam, dass Kunst- und Medienfreiheit als erstes eingeschränkt bzw. zensiert werden. Umgekehrt aber bedarf es der beharrlichen Thematisierung: Wie sehr bereiten Definitionen, Sichtweisen, Bilder, die von Menschen und Gesellschaften gezeichnet, entworfen, veröffentlicht und verbreitet werden, den Boden für diese Ideologien, lange bevor sie überhaupt (wieder) soviel Macht gewinnen? Diese Fragen sind alles andere als neu, aber die Notwendigkeit der Auseinandersetzung ist so drängend wie selten. Es sind und bleiben Fragen von Öffentlichkeit und Sichtbarkeit. Und zwar längst bevor ein deutscher Kanzler sein Weltbild offenbarte, als er meinte, die Präsenz von Migrant*innen würde das Stadtbild stören. Das Bild von Städten und einer Gesellschaft, die ohne Migrant*innen so nicht mal mehr existieren würde. Aber (rationale wie emotionale) Wahrheit ist das Gegenteil solcher Bilder. Doch genau deshalb ist die Frage so zentral: Wer erzählt die Geschichte, wie und warum? Wer macht die Bilder? Und entscheidet damit über ein WeltBild. Wer sieht die Bilder? Und wer erkennt, was sie bedeuten? Wenn wir lesen, dass in Afghanistan das Terrorregime der Taliban das Land von seiner Internetverbindung trennt, um es gänzlich abzuschotten und unter Kontrolle zu bringen, schüttelt man im Westen verständnislos den Kopf oder zuckt kurz mit den Schultern. Äußere Ignoranz ist Teil solcher Machtkonzepte. Wenn in Serbien die größten Proteste Europas der letzten Jahrzehnte stattfinden und über ein Jahr lang anhalten, nachdem bereits vor der Pandemie eine massive Widerstandswelle durch das Land ging, nickt der Kontinent die Verzweiflung der Bevölkerung weg, nicht vor der eigenen Haustür, sondern mitten im eigenen Wohnzimmer. Die Kriegsbilder aus der Ukraine werden bekümmert registriert und die Seite umgeschlagen, während die abertausenden Toten im Sudan auf diesen Seiten nicht einmal auftauchen. Außer ein*e Überlebende*r schafft es, nach dem Horror des Krieges und jenem der Flucht übers Meer tatsächlich an einer europäischen Küste anzukommen. Eine Küste, eine Grenze, an der inzwischen soviel in Bewaffnung investiert wurde, wie es womöglich in der Ukraine besser angelegt gewesen wäre, bevor ein Unendlichfaches den Rüstungskonzernen in die Bilanzen fließt, Trump und Putin den Kuchen dennoch unter sich aufteilen und als Friedensleiche noch einmal verkaufen. Aber man kann mit der Streichung warmer Mahlzeiten für wohnungslose Menschen oder des am liebsten gleich abgeschafften minimalen Taschengelds für Geflüchete oder der Eliminierung von Kulturinitiativen das Bild der Alternativenlosigkeit weiterzeichnen, während schulterzuckend in Kauf genommen wird, dass Supermarktrechnung inzwischen so hoch sind wie ein Großeinkauf im Gourmetladen und sich immer mehr Menschen nichts davon leisten können. Macht basiert (auch) auf Ignoranz: von Bildern, Zuständen und jenen, die sie produzieren. Am Dorfplatz und auf der Weltbühne. 

Schaut hin und schickt uns eure Zugänge, Perspektiven, Prioritäten, Analysen, Gegenentwürfe, Raumöffner – in Bild und Text! Redaktionsschluss ist der 15. Dezember