Leonhard Rabensteiner ◄
Der Laizismus, die Trennung von Staat und Kirche, erwies sich in der Geschichte als Gamechanger: Der Einfluss der Kirchen auf die Demokratien wurde reduziert, und Demokratien wurden weniger in ihrer Entwicklung gestört. Zwar sind viele Länder vom Laizismus noch weit entfernt, und auch ist er in Österreich eher eine Langzeitbaustelle als ein vollständig erreichtes Ziel, aber trotzdem ist die bisher erreichte Trennung generell eine Errungenschaft, die kaum jemand umkehren möchte.
Ein Blick auf die Medien als „vierte Gewalt“ neben Legislative, Judikative und Exekutive, den drei „offiziellen“ Gewalten des Staates zeigt, dass hier die wichtigste Trennung noch ausständig ist: Jene von kommerziellen Einflüssen auf die Medien.
Die Entwicklung von Medien als primär durch den Verkauf finanzierte Produkte hin zu (digital) frei verfügbaren und zu großen Teilen durch Werbung finanzierte Angebote veränderte die gesamte Branche: Eine große Zahl an Menschen liest / hört / sieht lieber etwas frei Verfügbares und nimmt dafür Werbung und Tracking in Kauf, als für qualitative Inhalte aktiv zu zahlen. Das bringt neue Probleme: Wenn größere Reichweiten oder Auflagen mehr Werbegelder bringen, fördert das reißerische und populistische Inhalte.
Ob oder wie stark der Einfluss der Werbenden auf die Inhalte ist, bleibt eine offene Frage. Ein Beispiel: Ist es Zufall, dass in Gratisblättern, in denen viel Autowerbung geschaltet wird, in der Rubrik „Mobilität“ fast ausschließlich über Autohäuser und -infrastruktur berichtet wird? Gäbe es diesen Fokus auch ohne der Werbung?
Die Grenzen zwischen zufällig wie „zufällig“ ähnlichen Inhalten und Werbung, zwischen gefälligen und unkritischen Berichten über werbende Firmen sind zumindest schwammig, oft genug auch gar nicht mehr erkennbar. „Lies doch was anderes, wenn dir dieses Medium nicht gefällt“ scheint für viele die einfachste Lösung zu sein – ohne zu bedenken, dass es nicht wenige Menschen gibt, die kein kritisches Medienbewusstsein haben und die sich (teils ausschließlich) über Gratismedien informieren.
Bei einer Vielzahl an kostenlos verfügbaren Medien sollte die Frage gestellt werden, welche Motivation es für die Herausgabe gibt: In den meisten Fällen ist die Anzahl der Inserate ein zuverlässiger Indikator für eine vordergründige Verkaufsabsicht, bei der redaktionelle Beiträge ein Nebenprodukt sind. In weniger, aber deshalb nicht weniger problematischen Fällen werden Gratisangebote geschaffen, die einen objektiven Eindruck erwecken, jedoch aber politische Inhalte transportieren. Das Fehlen von Inseraten (oder die Sichtbarkeit von Inseraten nur einer Partei) zeigt in solchen Fällen oft, wer es finanziert, bevor das Impressum angesehen wird.
Eine öffentliche Finanzierung könnte das Problem lösen – zumindest theoretisch, da sich ebenso Werbung in fast jedem öffentlich-rechtlichen Medium findet. was in der Praxis hierzulande jedoch noch nicht der Fall ist, da das öffentlich-rechtliche Angebot ebenso voller Werbung ist. Auch wenn es hier Instanzen wie Programmräte gibt, die Objektivität und Unabhängigkeit garantieren sollen, ist die bloße Präsenz von Werbung ein Armutszeugnis für ein öffentliches Angebot. Eine Debatte darüber, ob ein (beispielsweise) großteils auf Nachrichten und Informationen reduziertes, jedoch werbefreies Programm eher in öffentlichem Interesse wäre als die Produktion beliebiger, durch Werbegelder finanzierte Unterhaltungssendungen, findet nicht statt, und so wird Werbung als alternativlos behandelt. Doch wieso hat man nicht einmal hier die Möglichkeit, nicht von kommerziellen Interessen belangt zu werden? Wäre Werbung in Medien nicht selbstverständlich, sondern nur transparent und unter klar definierten Regeln zu sehen, könnte die kritische Auseinandersetzung der Konsument:innen mit den Medien gefördert werden. Solange aber große Medien ihre Inhalte weiter an der werbebasierten Vermarktung orientieren, anstatt diesen Ansatz als unternehmerische Sackgasse und als ein Problem für die Demokratie zu verstehen, wird auch ein kritisches Medienbewusstsein weiter auf der Strecke bleiben.