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Die vorliegende Sonderausgabe des ausreißer – die Wandzeitung – erscheint in Zusammenarbeit mit LAMA | Das lösungsorientierte Architekturmagazin. Es ist das erste der zwei Themenhefte, die dem Projekt Grazotopia gewidmet sind und von dessen Forschungsteam herausgegeben werden.

Julia Gaisbacher, Studie Terassenhaussiedlung, 2014.
© Julia Gaisbacher

Das im Rahmen von Graz Kulturjahr 2020 stattfindende Projekt Grazotopia stellt ein umfangreiches Experiment in der partizipativen utopischen Stadtplanung und Wohnpolitik dar, dessen Ziel es ist, eine Zusammenarbeit zwischen lokalen und internationalen Expert*innen, Aktivist*innen und Studierenden sowie allen interessierten Stadtbewohner*innen zu ermöglichen. Der Prozess schließt Forschung, Bildung, Planungsworkshops, Beratung, Publishing und eine Ausstellung mit ein und wird in ein „aktives Archiv“ der utopischen Zukunftsentwürfe münden. Der thematische Fokus des mehrstufigen Planungsexperiments liegt auf wachstumskritischen und solidarischen Wirtschaftsmodellen, cyber-sozialistischen Verwaltungskonzepten, mehr-als-menschlichen Wohngemeinschaften, alternativen Eigentumsformen, integrativen, egalitären und nachhaltigen Finanzierungsprogrammen, dezentralisierten gemeinschaftlichen Energienetzen sowie der Umnutzung von Blockchain- und anderen aufkommenden Technologien zu Zwecken der gerechten Ressourcenverteilung.

Im Hinblick auf Planungsmethodologien versucht Grazotopia einige grundlegende Hindernisse zu überwinden, die der Anwendung von partizipativen Verfahren in der Entwicklung langfristiger urbaner Zukunftsvisionen im Wege stehen. Das größte Hindernis ist im Fehlen von systematischen Informationen und Wissen begründet, welche erst den Ausgangspunkt für alle Spekulationen über die Zukunft komplexer Systeme, wie es auch die Städte sind, bilden. Diesem Problem wird entgegengewirkt, indem die für den Planungsprozess relevanten Informationen in der ersten Projektphase (GrazForschung) systematisch gesammelt, geordnet und veröffentlicht werden, während in der zweiten Projektphase ein intensives Bildungsprogramm zum Thema utopische Stadtplanung angeboten wird: UtopieInkubator (Expert*innenworkshop), UtopieSchule (Seminar und Vorlesungsreihe) und UtopieLabor (Workshop).

Die Resultate der im Rahmen von Grazotopia durchgeführten GrazForschung werden in zwei Heften zu den Themen Wohnen, Energie und Boden publiziert und geben in Kombination einen kleinen „kritischen Atlas“ der Stadt Graz wieder. Das vorliegende Heft widmet sich dem Thema Wohnen. Dabei werden die zentralen Fragen des Wohnungsbaus und der Wohnungspolitik in Bezug auf Graz untersucht. Dazu zählen die vorhandene Wohnraumressource, Leerstand, Leistbarkeit des Wohnens, Wohnungslosigkeit, der spekulative Immobilienmarkt, der geförderte Wohnungsbau, Gemeindewohnungen und deren Zugänglichkeit, Aktivitäten von Baugruppen, die Idee solidarischer Wohngemeinschaften, alternative Eigentumsformen und Finanzierungsmodelle im Wohnungsbau sowie die architektonische Qualität neuer Wohnanlagen.